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BAUSTEIN 51 - 100

100. Eine Kirche im Geist der Urliebe  -  25. November 2010

In einem Vortrag mit dem Titel "Unseren Glauben zeitgemäß leben und verkünden", den er am 14. November 2010 in Wien gehalten hat, hat Roger Lenaers für einen christlichen Atheismus, für eine religionslose Kirche plädiert. Das Schlusswort seines Vortrags gebe ich hier gekürzt wieder.

"Ich habe hier für einen christlichen Atheismus plädiert, für eine religionslose Kirche, im Geist der gläubigen Intuition von Bonhoeffer. Dieser christliche Atheismus ist eine Frucht derselben Urliebe, die im Anfang die Religionen hervorgerufen hat, sie allmählich gereinigt und vertieft hat und sie vom Polytheismus zum Monotheismus geführt hat. Sie treibt uns nun zum Abschied weg von diesem auch nur vorläufigen Gottesbild und nützt dazu die im Schoß des Monotheismus geborene Moderne. Das vormoderne Gottesbild  konnte nur etwas Vorläufiges sein, denn es ging problemlos zusammen mit einem schrecklichen Mangel an Menschlichkeit. Ein gläubiger Atheismus, eine religionslose Kirche, soll diesen Mangel aufheben. Denn Atheismus ist an sich nur der befreiende Abschied von einer alles beherrschenden, nirgendwo wahrnehmbaren, anthropomorph gedachten außerkosmischen Macht, und keineswegs Abschied von der Transzendenz. [...] Wir sollen uns nicht bestimmen lassen von auswärts, von Traditionen, von Gesetzen, von Menschen mit Mitras oder Tiaren, sondern nur von der Begegnung mit der in uns wirksamen Urliebe. Das ist auch der tiefere Sinn des Wortes der Jünger Jesu zum Hohen Rat in der Apostelgeschichte (5,29): Man soll mehr hören auf Gott als auf die Menschen. Dieses Hören auf die Urliebe Gott, diese Begegnung mit ihm, ist das einzig Wichtige."

"Darum ist es im Grunde unwichtig, ob man fromm einen Gott-in-der-Höhe bekennt und verehrt oder ein bekennender Atheist ist. Was Paulus im Galaterbrief (5,6) von der Beschneidung sagt, die doch das Merkmal des jüdischen Gottesglaubens war, gilt auch hier. Es zählt nicht, schreibt er, ob jemand beschnitten oder unbeschnitten ist, es zählt nur der Glaube, der sich in tätiger Liebe bewährt. So auch zählt nicht, ob man gottgläubig ist oder religionslos. Es zählt nur, ob man von der uns innewohnenden Urliebe Gott sich bewegen lässt. Darum kann und soll der Christ mit allen zusammenarbeiten, die von der Menschenliebe in ihrer Tiefe getrieben sind, sich für die Heilung einer heilungsbedürftigen Menschheit einsetzen. Religionen und Konfessionen trennen, die tätige Liebe vereint. Und nur sie wird den eschatologischen Traum von Paulus wahr machen, dass die Urliebe Gott einmal alles in allem sein wird."

Einer meiner Kernsätze ist seit Langem: Meine Kirchgemeinde ist die Menschheit und mein Gotteshaus ist die Erde.

Und zu einer Kirche im Geist der Urliebe gehört für mich untrennbar der Satz: Ich folge Jesus nach.

In meinem Baustein 88. Hängt Jesus noch immer am Kreuz? habe ich den Gedanken ausgeführt, dass es jedem Menschen möglich ist, Jesus nachzufolgen, unabhängig davon, ob er den Jesus, den die Kirchen lehren, akzeptiert oder nicht, und sogar unabhängig davon, ob er von Jesus überhaupt schon gehört hat oder nicht.

Mit diesen Sätzen darf ich und will ich niemand vereinnahmen, sondern jeden Menschen so annehmen, wie er ist.

Ergänzung vom 6. Dezember 2010:

Am 2. November 2001 habe ich das folgende Gedicht geschrieben:

gott ist tot
wer versteht
dieses komplott
der liebe zu uns
dass wir erwachen
und kommen ins lot

Es ist riskant, ein Gedicht zu interpretieren, da man dem Gedicht etwas wegnimmt, wenn man die Worte und ihre Anordnung verändert. Trotzdem sage ich nun zu meinem Gedicht: Wenn heutzutage viele Menschen Gott nicht mehr ernst nehmen, wenn der Satz „Gott ist tot“, den der tolle Mensch in Nietzsches Werk „Die fröhliche Wissenschaft“ ausruft, daher heute vielfach Wirklichkeit geworden ist, so ist das eine Chance für uns, uns nicht mehr von oberflächlichen Gottesbildern niederdrücken zu lassen, sondern buchstäblich ins Lot zu kommen, eine Chance, die uns die unermessliche Liebe Gottes in dieser Zeit gewährt.

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99. Als ich Brot und Wein nicht zu mir nahm  -  15. November 2010

Bei uns im Ort gibt es eine katholische und eine evangelische Kirche. Gerhild, meine Frau, und ich nehmen an den Gottesdiensten beider Gemeinden teil. Als Mitglieder der katholischen Kirche sind wir auch in der evangelischen Kirche zur Teilnahme am Abendmahl eingeladen.

Der Weg, den unser katholischer Pfarrer geht, wurde von einem liebevollen Gemeindemitglied sehr treffend als blanker Klerikalismus bezeichnet. Ich habe den starken Eindruck, dass ich diesen Weg nicht länger mittragen darf. Als vor drei Tagen bei einem katholischen Gottesdienst im kleinen Rahmen einer Gemeinschaft, die mir sehr am Herzen liegt, von diesem Pfarrer Brot und Wein ausgeteilt wurden, blieb ich sitzen.

Eine Redewendung lautet: "Wenn der Prophet nicht zum Berg kommt, kommt der Berg zum Propheten." Das entspricht der Auffassung, dass der Glaube Berge versetzt. Dazu passt, was der Verfasser des Markusevangeliums Jesus sagen lässt: "Wahrlich ich sage euch: Wer zu dem Berge dort sagt: 'Hebe dich empor und stürze dich ins Meer!' und in seinem Herzen nicht zweifelt, sondern glaubt, dass das, was er ausspricht, in Erfüllung geht, dem wird es auch erfüllt werden." (Mk 11,23.)

Als ich da saß und das Brot und den Wein, von denen ich glaube, dass der Leib und das Blut des auferstandenen Jesus in ihnen wohnen, nicht zu mir nahm, kamen der Leib und das Blut des auferstandenen Jesus zu mir, und ich war mit ihm genauso verbunden, wie wenn ich die Gaben von Brot und Wein physisch gespürt hätte.

Eine Wandlung der Gaben von Brot und Wein, für die ein geweihter Priester anwesend sein muss, gibt es nicht. Die Einwohnung von Leib und Blut des auferstandenen Jesus in den Gaben geschah für mich, weil ich von Herz zu Herz mit Jesus verbunden bin. Diese Einwohnung ist für uns da und will uns ganz erfassen, als Individuen und als Gemeinschaft.

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98. Terminologie für meine Theologie  -  12. November 2010























Ohne in eine der obigen Kategorien eingeordnet werden zu können, ist meine Theologie eine integrale, experimentelle, existenzielle und unbegrenzte Theologie. Denn mein Ansatz ist ganzheitlich, ich setze meine Existenz dafür ein und ich habe eine experimentelle und unbegrenzte Sicht auf die Dinge. Dabei verstehe ich mich als jemand, der Jesus nachfolgt.

Anmerkung vom 20. März 2012:

Der Begriff "Unbegrenzte Theologie" wurde von mir heute hinzugefügt.

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97. Das erste Gebot von allen  -  28. Oktober 2010

Jesus fragte einen Gesetzeslehrer, welches Gebot das erste von allen sei, und der Mann antwortete: "Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, mit deiner ganzen Kraft und mit all deinen Gedanken und Gefühlen. Und ebenso sollst du deinen Mitmenschen lieben, denn er ist kostbar wie du selbst."

Jesus sagte darauf: "So ist es. An diesen zwei Geboten hängt das ganze Gesetz und die Propheten. Wenn du danach handelst, hast du das ewige Leben schon jetzt." (Lk 10,26-28 und Parallelstellen in meiner Bearbeitung.)

Unwillkürlich kommt mir der Gedanke: Das ist doch nicht ausreichend! Sind Tiere bloße Sachen? Sind Auen und Fluren bloße Sachen? Sind Berge, Flüsse und Meere bloße Sachen? Auch mein Hund ist kostbar wie ich selbst. Auch der Nußbaum im Garten ist kostbar wie ich selbst. Auch die Quelle im Wald ist kostbar wie ich selbst.

Vom ersten Schöpfungsbericht her hat der Mensch eine besondere, der menschlichen Spezies eigene Aufgabe. Es kann aber nicht abgeleitet werden, dass er etwas Besonderes ist, dass alles andere nur für ihn da ist.

Der Mensch kann sich einbilden, dass er eine Verfügergewalt über die Erde hat, und in diesem Augenblick ist der Missbrauch schon gegeben.

Ich zitiere eine Avaaz-Aktion, die derzeit läuft: "Ein Drittel aller Tier- und Pflanzenarten ist vom Aussterben bedroht -- Blauwale, Korallenriffe stehen ganz oben auf der langen Liste gefährdeter Arten. Das vom Menschen angetriebene Artensterben ist das Größte seit dem Ende der Dinosaurier."

"Es gibt jedoch einen Plan - ein weltweites Abkommen mit dem folgenden Ziel: Bis zum Jahr 2020 sollen 20% der Erdoberfläche in ein Schutzgebiet umgewandelt werden."

Dieses Abkommen zu erreichen, wäre ein großer Erfolg. Man kann es allerdings auch zynisch sehen: Die Menschen würden sich verpflichten, nicht mehr als 80 % der Erdoberfläche zu zerstören...

Feedback von Gerhild Krotz:

Ich vertraue darauf, dass mein Gott der Schöpfer von allem ist. Wenn ich Gott, den Schöpfer, liebe, liebe ich ganz automatisch seine Schöpfung und bin für sie verantwortlich.

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96. Eucharistie und eucharistische Anbetung  -  15. Oktober 2010

Was ist heilig an der Eucharistie (dem Abendmahl) und der eucharistischen Anbetung?

Ich gehe von der Eucharistie in der römisch-katholischen Kirche aus. Im zweiten Hochgebet spricht der Priester die folgende Epiklese: "Sende deinen Geist auf diese Gaben herab und heilige sie, damit sie uns werden Leib und Blut deines Sohnes, unseres Herrn Jesus Christus."

Der Katechismus der römisch-katholischen Kirche erklärt dazu, indem er das Konzil von Trient zitiert: "Durch die Konsekration des Brotes und Weines geschieht eine Verwandlung der ganzen Substanz des Brotes in die Substanz des Leibes Christi, unseres Herrn, und der ganzen Substanz des Weines in die Substanz seines Blutes. Diese Wandlung wurde von der heiligen katholischen Kirche treffend und im eigentlichen Sinne Wesensverwandlung [Transsubstantiation] genannt."

Es werden hier die aus der antiken Metaphysik stammenden Begriffe "Substanz" und "Wesen" verwendet und die äußere Gestalt von Brot und Wein wird implizit als etwas Akzidentielles bezeichnet. Die ganze Argumentation löst sich in nichts auf, wenn man die metaphysischen Begriffe nicht verwendet. Und ich verwende sie nicht. In meiner Fassung des Hochgebets habe ich den oben zitierten Satz wie folgt verändert: "Sende deinen Geist auf diese Gaben herab und heilige sie, damit Leib und Blut des auferstandenen Jesus in ihnen wohnen und uns immer mehr mit ihm und untereinander verbinden."

Wenn ich sage, Jesus wohnt in diesen Gaben, so meine ich damit die Einwohnung. Im Judentum ist die Schechina (שכינה) die Einwohnung, der Inbegriff der Gegenwart Gottes bei seinem Volk. In der Kabbala wird sie als der weibliche Aspekt Gottes gesehen. In der christlichen Kabbala wird die Schechina mit dem Messias gleichgesetzt.

Wie kommt nun die Einwohnung zustande? Kommt sie dadurch zustande, dass der Priester die Hände über die Gaben hält und diese Worte spricht? Sicher nicht. Es hängt nicht einmal davon ab, dass ein geweihter Priester anwesend ist. Im Idealfall finden alle, die im Raum sind, zu einer tiefen inneren Einheit zusammen, sodass sie zumindest innerlich die Hände zu dieser Geste ausstrecken und diese Worte mitsprechen. Natürlich kann das auch äußerlich geschehen, ich habe es aber auch in Gottesdiensten reformorientierter Gruppen noch nicht erlebt, sondern nur in Gottesdiensten bei mir zuhause.

Kommt die Einwohnung dadurch zustande, dass alle Anwesenden diese Geste machen und diese Worte sprechen? Sicher nicht. Es lässt sich kein Zeitpunkt festmachen, wo der Geist Gottes oder der Geist des Messias in Brot und Wein eintritt. Brot und Wein, für sich genommen, sind und bleiben Brot und Wein. Die Einwohnung kommt dadurch zustande, dass die Anwesenden ihre Herzen für Jesus öffnen, sodass er in ihnen lebendig werden kann. Selbstverständlich wird das nicht bei allen Teilnehmenden in der gleichen Art und Weise geschehen. Die Menschen sind verschieden. Einige sind vielleicht gerade in irgendein Leid oder Problem verstrickt. Es sind aber sicher andere im Raum, die für sie einstehen. In der Gesamtheit ist Jesus da, und über seinen Auferstehungsleib und sein Auferstehungsblut, die uns in Brot und Wein geschenkt werden, können wir uns tiefer mit ihm und miteinander verbinden, und diese Verbindung wirkt im Alltag weiter.

Ähnlich ist es bei der eucharistischen Anbetung. Im Wiener Stephansdom ist die Eligiuskapelle ein Ort dafür. Wenn man sie betritt, spürt man die Atmosphäre der hingebungsvollen Andacht. Am Altar ist eine Monstranz mit einer konsekrierten Hostie. Aber dass zuvor in einem Gottesdienst eine Konsekrierung stattgefunden hat, ist nicht das Entscheidende. Eine Hostie ist da, sonst nichts. Die Einwohnung kommt dadurch zustande, dass für Menschen, die in die Kapelle kommen, der auferstandene Jesus in dieser Hostie anwesend ist. Ihre Hingabe, ihre Andacht ist das Entscheidende. Sie essen geistig die Hostie, die vor ihnen steht, und werden auf diese Weise ganz innig mit dem auferstandenen Jesus verbunden. Auch hier ist es so, dass der Raum von ganz verschiedenen Menschen betreten wird. Manche wollen nur ihre Sorgen loswerden. Andere stehen für sie ein.

Ähnlich ist es, wenn du durch den Wald gehst und an einer Quelle sitzen bleibst, wo reines und klares Wasser aus der Erde tritt. Du kannst es kosten und seine Frische und alle Mineralien spüren, die in ihm enthalten sind. Wenn du es zulässt, ist es das lebendige Wasser, in dem Jesus selbst anwesend ist und dich erfrischt.

Feedback von Gerhild Krotz:

Zu dem letzten Absatz sage ich vollinhaltlich ja. So muss es beim Gespräch Jesu mit der Samariterin gewesen sein.

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95. Thesen für ein neues religiöses Verständnis   -  12. Oktober 2010

Ein oft zitierter Satz von Alfred Loisy lautet: "Jesus verkündete das Reich Gottes und gekommen ist die Kirche."

Alfred Loisy hat mit den Sätzen, die in seinem Buch "Evangelium und Kirche" nach dem Zitat kommen, die Kirche verteidigt. Im Gegensatz dazu wird das Zitat heutzutage kirchenkritisch verwendet.

Meiner Meinung nach ist Kirchenkritik zu wenig. Darüber hinausgehend ist Kritik des Christentums angebracht, wenn sie ohne jede Negativität aus der Liebe zu Jesus geschieht. Daher wandle ich den Satz von Alfred Loisy ab und sage: "Jesus verkündete das Reich Gottes und gekommen ist das Christentum."

Kritik des Christentums bringt nichts, wenn sie nicht mit Kreativität und neuen Blickwinkeln verbunden ist, die die Menschen mit der Freiheit und Selbstständigkeit konfrontieren, die sich entfalten können, wenn man im Geist Jesu lebt. 

Daher lege ich in einer ersten Version sechs Thesen für ein neues religiöses Verständnis vor, die ich im August 2010 formuliert habe.

1. Es geht nicht ums Christentum, sondern um die Nachfolge Jesu. Jesus ist für alle da, über Konfessionsgrenzen, aber auch über Religionsgrenzen hinaus.

2. Bibelgetreues Christentum ist eine Mischung aus Frohbotschaft und Drohbotschaft, denn die Bibel – auch das Zweite Bundesbuch, das Neue Testament – enthält Texte verschiedener Qualität und verschiedener Herkunft, die einander – vor allem vom Geist her – teilweise widersprechen und die teilweise ein Kirchenbild liefern, das jetzt und in Zukunft nicht mitgeschleppt werden darf. In diesem Sinn gehe ich in meinen Bibelbearbeitungen (die nächste erscheint in wenigen Monaten) einen neuen Weg.

3. In den ersten ökumenischen Konzilien wurde eine Tradition entwickelt, die weitgehend der Hellenisierung des Christentums entsprach. Auf so gut wie alle Begriffe der antiken Metaphysik und die darauf aufbauende Dogmatisierung können wir heute verzichten. In diesem Sinn gehe ich in meinen Sachbüchern (das nächste erscheint im Frühjahr 2011) einen neuen Weg.

4. Monarchische, autokratische Strukturen sind nicht dazu geeignet, Leben und Anliegen Jesu widerzuspiegeln.

5. Alle Menschen, die Jesus nachfolgen, haben die gleiche Verantwortung und Würde. Die Teilung der Menschen in den sogenannten Klerus und die sogenannten Laien ist abzulehnen. Die volle Gleichbehandlung von Mann und Frau ist unumgänglich. Für die Ausübung von Funktionen muss es eine demokratisch legitimierte Beauftragung geben.


6. Alle Gemeinschaften im Namen Jesu haben die gleiche Verantwortung und Würde. Es ist unumgänglich, dass die Gemeinschaften einander voll anerkennen und einander volle Teilnahme an allen liturgischen Feiern gewähren, einschließlich Abendmahl. Dachorganisationen sind wünschenswert.

Feedback von Peter Göring:

Ich habe mir Ihre Thesen durchgelesen und empfinde sie als sehr ehrlich und aufrichtig. Fest steht jedenfalls, die Menschen müssen dringend umdenken und verstehen lernen, dass der Glaube etwas Lebensbereicherndes ist und keine mit Dogmen behaftete Zwangsjacke.

Feedback von Alois Perner:

Es ist für mich keine Frage, dass es die Crux des modernen Christentums ist, dass man – schon mit Paulus beginnend – die Botschaft Jesu übertüncht, überfrachtet und zugedeckt hat.

Feedback von Hannes Daxbacher:

Du unterscheidest zwischen Christentum und Nachfolge Jesu. Heinrich Böll schrieb schon in seiner Schrift "Eine Welt ohne Christus“ (1957): „Man ist nicht Christ, sondern gehört zum 'christlichen Lager', man glaubt nicht an Christus, sondern 'macht in Christentum'." Es ist gut, dass du darauf hinweist, dass es um Nachfolge Jesu geht und nicht um (kulturelles?) Christentum.

Feedback von Helmut Schriffl:

Hier ein paar Gedanken:

Christentum ist keine Religion mit Übungen und Besuch des Tempels und Opfergaben, dann geht man heim und das übliche Leben geht weiter.

Christentum ist eine Bewegung, die das ganze Leben durchformt und durchtränkt, jenseits von starren Regeln und Vorschriften.

Die Gedanken, die Du in Deinen sechs Thesen entwickelst, versuchen wir in der Bewegung "Wir sind Kirche" und im Kreis der Wiener Basisgemeinden zu verwirklichen. Leider ist dieses Bemühen auf einen relativ kleinen Kreis beschränkt. Ich bin schon seit 1976 im Kreis der Basisgemeinden aktiv und eigentlich wird die Bewegung immer kleiner und überaltert.

Wir dürfen deswegen nicht aufgeben und müssen dort, wo es uns möglich ist, Deine und andere gute Ideen umsetzen.

In den "normalen" Gemeinden ist es besonders schwer, ich lebe in einer solchen. Der Druck, der durch Jahrhunderte aufgebaut wurde, lässt sich nicht so leicht abwerfen. Aber selbst hier haben wir ein paar kleine Schritte getan, um hierarchisches Denken und Machtpositionen aufzuheben.

Die große Kirche ist unbelehrbar. Sie wird untergehen und bis zum Schluss darauf beharren, alles richtig zu machen. Aber wer beim religionslosen Christentum Bonhoeffers gelandet ist, dem macht das nichts mehr aus. Wir haben uns befreit von magischen Praktiken und Ritualen, sehen die Gegenwart und die Notwendigkeiten, die zu tun sind, damit mehr Menschlichkeit in die Welt komme. Das ist entscheidend. Dem werden die Menschen sich zuwenden.

Ergänzung vom 27. Oktober 2010:

In den bisher siebzehn Feedbacks, die ich bekommen habe, wird mir nahegelegt, Beispiele für die Punkte 2 und 3 zu bringen.

Beispiele für Drohbotschaften in den Evangelien:

"Da wurde der König zornig; er entsandte seine Heere, ließ jene Mörder umbringen und ihre Stadt verbrennen." (Mt 22,7.)

"Hierauf befahl der König seinen Dienern: Fasst ihn an Händen und Füßen und werft ihn hinaus in die Finsternis draußen! Dort wird lautes Weinen und Zähneknirschen sein. Denn viele sind berufen, aber wenige auserwählt." (Mt 22,13-14.)

"Hinweg von mir, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer, das für den Teufel und seine Engel bereitet ist!" (Mt 25,41.)

"Doch jene meine Feinde, die mich nicht zum König über sich gewollt haben, führt hierher und macht sie vor meinen Augen nieder!" (Lk 19,27.)

Folgende Begriffe, die der antiken Metaphysik entstammen oder von ihr abgeleitet sind, verwende ich nicht:

Sein, Seiendes, Wesen, Essenz, Substanz (Ousia), Akzidenz, Hypostase, Person (Prosopon), Natur (Physis), Seele (Psyche), eines Wesens (homo-oúsios), Transsubstantiation, Konsubstantiation, hypostatische Union, Trinität.

Das Weglassen dieser Worte bedeutet für mich, dass ich die damit verbundenen Denkmuster nicht mehr verwende. Die multidimensionale Schau, um die ich mich bemühe, schließt jedoch alles mit ein, was ich als lebendig und engagiert wahrnehmen kann, auch wenn es Begriffe gebraucht, die ich nicht verwende. (Siehe auch meinen Baustein 41. Liebe und Multidimensionalität.)

Der Begriff „Logos“, der im Prolog des Johannesevangeliums die zentrale Stelle einnimmt, ist auch für mich unverzichtbar.

Feedback von Gerhild Krotz:

Mit diesen Evangelienstellen habe ich dasselbe Problem wie mit einigen Psalmen. Ich vertraue darauf, dass mein Gott ein Gott der Liebe ist, der nicht in einem Anfall von Zorn mich, meine Familie und die Ortschaft, in der ich wohne, verbrennt. Und macht es ihm etwa Spaß, zuzuschauen, wenn Menschen auf sein Kommando krepieren? Und dass viele berufen, aber nur wenige auserwählt sind, ist ein fragwürdiges Diskussionsthema. Für mich ist kein Unterschied zwischen berufen und auserwählt.

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94. Ein Feuersalamander  -  27. September 2010

Als wir heute mit den Hunden unseren Morgenspaziergang im Wienerwald machten, hat ein Feuersalamander unseren Weg gekreuzt. Das ist an und für sich nichts Besonderes, denn nach einem starken Regen kommt es oft vor. Und doch war es diesmal anders, denn auf einmal habe ich in dem kleinen Tierchen das Leben gesehen, das mit dem Tod nicht endet.

Der erste Schöpfungsbericht der Bibel ist ein Mythos, d.h. eine erzählende, bildhafte Deutung der Weltentstehung. In diesem Schöpfungsbericht lesen wir die folgenden verhängnisvollen Sätze: "Dann sprach Gott: Lasst uns Menschen machen nach unserm Bilde, uns ähnlich! ... Da schuf Gott den Menschen nach seinem Bilde: Nach dem Bilde Gottes schuf er ihn; als Mann und Frau schuf er sie. Gott segnete sie dann mit den Worten: Seid fruchtbar und mehrt euch, füllt die Erde an und macht sie euch untertan und herrscht über die Fische im Meer und über die Vögel des Himmels und über alle Lebewesen, die auf der Erde sich regen!" (1 Mose 1,26-28.)

Allerdings ist der gewalttätige Akzent auch eine Frage der Übersetzung: "Das hebräische Verb 'kabasch' (bisher übersetzt als 'untertan machen') hat auch die Bedeutung: 'als Kulturland in Besitz nehmen', 'dienstbar / urbar machen', wie Vergleiche mit Verbübersetzungen in anderen biblischen Büchern (Num 32 und Jos 18) zeigen. Das Verb 'radah' (bisher übersetzt als 'königlich bzw. herrschaftlich auftreten') wird in Mari-Texten für den Umgang eines Hirten mit seiner Kleinviehherde verwendet und müsste die verantwortungsvolle, fürsorgliche Konnotation zum Ausdruck bringen." (Aus: "Gentechnik aus theologischer Perspektive" von Matthias Schlicht.)

Und dass der Mensch nach dem Bild Gottes (für 'Gott' steht hier das Mehrzahlwort 'elohim'!) gemacht ist, bedeutet nach meiner Meinung, dass der Mensch sich zu allen Wesen des Kosmos so verhalten soll wie Gott selbst. Damit hängt alles davon ab, welches Bild der Mensch von Gott hat. Wenn der Mensch die unermessliche Liebe Gottes, die unterschiedslos allen Wesen gewidmet ist, spüren kann, dann kann er die Haltung entwickeln, die heutzutage dringend erforderlich ist.

Leider wurde der erste Schöpfungsbericht oft im Sinne von Rücksichtslosigkeit interpretiert, und er wurde dazu missbraucht, dass man Tiere, Pflanzen und Bodenschätze wie Güter verwendet hat, die unseren Interessen zu dienen haben, ohne Eigenleben.

Für Thomas von Aquin sind Berge, Flüsse und Meere seelenlos. Er hat zwischen der vegetativen Seele der Pflanzen, der sensitiven Seele der Tiere und der unsterblichen Vernunftseele des Menschen unterschieden, und er hat nur dem Menschen ein Leben zugesprochen, das mit dem Tod nicht endet.

Mein kleiner Feuersalamander hat mir heute etwas ganz anderes gesagt.

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93. Das Herz des Universums  -  22. September 2010

Heute Nacht wurde ich gegen Morgen wach. Und auf einmal spürte ich das rhythmisch pulsierende Herz des Universums. Im Laufe des Tages wurde mir klar, dass dies die Basisrealität von allem ist. Diese Wahrnehmung wird mich nicht mehr verlassen.

Nun könnte jemand sagen: "Du hast deinen eigenen Herzschlag gespürt und mit dem Herzen des Universums verwechselt."

Dazu sage ich: So ist es nicht. Ich habe ein Geschenk erhalten, dessen Größe ich erst langsam ermesse.

Ich bin doch dem Herzen Jesu geweiht, und dem Herzen Marias, seiner Mutter, und dem Herzen Gerhilds, meiner Frau. Aber das sind Menschen. Und nun frage ich mich: Bin ich auch dem Herzen des Universums geweiht?

Das Herz des Universums pulsiert in allem, was ist, im Herzen der Erde und auch in meinem Herzen. Es ist nicht dasselbe, aber die Verbindung ist so innig, dass es eins ist.

Das Herz des Universums ist eine der Weisen, wie der transzendente Gott sich zeigt.

Mir wird klar: Wenn ich mich dem Herzen des Universums weihe, bin ich allem geweiht, allem, was ist, jedem Wesen, nicht nur den menschlichen, sondern allen Wesen, über sämtliche Einteilungskategorien hinaus, die wir besitzen.

Ja, ich weihe mich dem Herzen des Universums, der Existenz von allem.

Ergänzung vom 16. Oktober 2010:

Das Herz der Erde ist die nährende Realität unseres Planeten.

Ja, ich weihe mich dem Herzen der Erde, der Förderung von allem Irdischen.

Ergänzung vom 22. März 2012:

Lange Zeit hindurch habe ich gebetet:
Dem Herzen der Erde bin ich geweiht, jetzt und alle Tage meines Lebens und über den Tod hinaus.
Dem Herzen des Kosmos bin ich geweiht, jetzt und alle Tage meines Lebens und über den Tod hinaus.

Ab heute bete ich:
Erde, deinem Herzen bin ich geweiht, jetzt und alle Tage meines Lebens und über den Tod hinaus.
Kosmos, deinem Herzen bin ich geweiht, jetzt und alle Tage meines Lebens und über den Tod hinaus.

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92. Ken Wilber und ich  -  13. September 2010

Ken Wilber spricht von vier Bewusstseinsstufen: egozentrisch, ethnozentrisch, weltzentrisch und kosmozentrisch. Diese vier Worte werden in der Wilber-Bibliothek (www.integralesleben.org) wie folgt definiert:

"Egozentrisch: Die Ebene, auf der man ausschließlich mit dem 'Ich' identifiziert ist, bzw. mit dem körperlichen Selbst und seinen Impulsen."

"Ethnozentrisch: Die Ebene, auf der man ausschließlich mit 'uns', der eigenen Familie, der Gruppe, dem Stamm, der Nation identifiziert ist."

"Weltzentrisch: Die Ebene, auf der man mit 'uns allen', d.h. allen Menschen identifiziert ist, unabhängig von Rasse, Geschlecht oder Herkunft."

"Kosmozentrisch: Die Ebene, auf der man mit der Gesamtheit aller manifesten und nicht-manifesten Wirklichkeit identifiziert ist."

In diesen Definitionen spüre ich den Geist der antiken Metaphysik. Nun frage ich mich: Wie würde ich etwas Vergleichbares ausdrücken?

Ich spüre eine Welt mit vielfältigen Möglichkeiten und Wirklichkeiten in den einzelnen Menschen und in der Menschheit als Kollektiv. Dass die gesamte Menschheit einen Organismus bildet, der wie ein Einzelmensch heranreift, darüber kann ich nichts sagen. Aus einem anderen Blickwinkel fällt mir z.B. ein, dass indianische Kulturen durch pseudochristliche Kulturen unterdrückt und verdrängt worden sind. Ich hüte mich davor zu sagen, dass eine dieser Kulturen hochstehender ist als die anderen. Der Blick der Liebe und der Blick des Verständnisses füreinander hat gefehlt. Überall dort, wo Macht rücksichtslos angewandt wird, tritt Verblendung ein.

Im Freilichtmuseum Petronell-Carnuntum in Niederösterreich wurden römische Wohnhäuser, prachtvolle Villen und eine römische Thermenanlage rekonstruiert, und Menschen laufen in Gewändern herum, wie man sie vor fast 2000 Jahren getragen hat. Sie können dadurch den Geist der damaligen Zeit nicht lebendig machen. Es sind heutige Menschen, die kostümiert sind. Wir alle stecken in unserer Haut.

Wenn wir egozentrisch, gruppenzentrisch, menschheitszentrisch oder kosmozentrisch sind, so fühlen, äußern wir uns und handeln wir mit verschiedener Weite und verschiedener Durchlässigkeit. Das ist ständig eine neue Herausforderung.

In E-Mails wird die Beschreibung eines globalen Dorfs weitergeleitet: Wenn man die gesamte Weltbevölkerung auf ein Dorf reduzieren würde, in dem 100 Leute leben, dabei jedoch die bestehenden Verhältnisse der Weltbevölkerung beibehalten würde, würden 80 in Armut leben, 70 wären ungebildet und 50 würden an Hunger und Unterernährung leiden. Es geht darum, davor die Augen nicht zu verschließen. Es geht um Freisein von Identifikationen, um Mitfühlen in allen Bereichen, vom kleinsten bis zum größten, um Stehen im Leben, um Hingabe an die Liebsten und darüber hinaus. Es geht darum, seine Meinung öffentlich zu äußern und zerstörerischen Vorgängen mutig entgegenzutreten oder die zu unterstützen, die das wagen. Wenn die Entscheidungen der einzelnen Menschen und ebenso die Massenphänomene von einem Geist wachsender Hingabe geprägt sind, sind wir auf einem guten Weg.

Niemand gehört zu einer bestimmten Stufe oder Ebene. Jeder Mensch ist dazu geboren, sich selbst und andere zu fördern, zu bestärken, sich selbst und anderen und allen Wesen, auch nichtmenschlichen, die Möglichkeit zu geben, sich zu entfalten und frei zu atmen.

Das ist unsere Aufgabe, heute, in dieser Zeit.

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91. Über die Auferstandenen  -  7. September 2010

Die Grunderfahrung der Jüngerinnen und Jünger Jesu nach seinem Tod war, dass er auferstanden ist. Die Herrlichkeit des auferstandenen Jesus wird besonders in der Ostkirche betont. Beim Ostergottesdienst der orthodoxen Kirche spricht der Zelebrant am Ende dreimal: „Christus ist auferstanden.“ Alle antworten darauf: „Er ist wahrhaftig auferstanden.“

Papst Pius XII. hat 1950 das Dogma von der leiblichen Aufnahme Marias in den Himmel verkündet. In der genauen Formulierung des Dogmas, auf die ich hier nicht eingehe, wird antike, bildhafte Mythologie auch in unserer Zeit noch wörtlich genommen. Das Dogma, das ich im Detail ablehne, enthält im Ganzen nach meinem Verständnis die Aussage, dass auch Maria auferstanden ist.

Nach meiner Auffassung ist der Mensch ein vielschichtiges Wesen mit dem Christusleib, der alle anderen Schichten durchdringt. Die Verstorbenen haben die Aufgabe, ihr gesamtes irdisches Dasein, d.h. ihren physischen Leib und ihre psychischen Schichten, in den Christusleib hinein zu bergen. Bei dieser Aufgabe sind sie nicht auf sich allein gestellt, sie können vielfache Hilfe in Anspruch nehmen, allem voran die unermessliche Hilfe von Jesus und Maria. Die Wesen, die als Menschen auf der Erde gelebt haben, nach ihrem Tod durch Höllen und Himmel gegangen sind und ihre Integrationsarbeit abgeschlossen haben, sind die Auferstandenen. Von unseren irdischen Lebensverhältnissen her gesehen ist es nicht möglich zu sagen, "wann" ein bestimmter Mensch auferstanden ist, denn auf dem Weg zur Auferstehung werden die Wesen nach und nach aus unseren Kategorien von Raum, Zeit und Ewigkeit herausgezogen.

Die auferstandenen Wesen wirken ohne Zwang in die Erde und den Kosmos hinein. Sie sind eins mit allen Auferstandenen, mit Jesus und Maria und den "großen" Auferstandenen anderer Kulturkreise. Sie sind vollkommen offen für neue Horizonte, die ihnen vom transzendenten Gott oder Urgrund her geschenkt werden.

In meinem Buch "Jesus ohne Dogmen" widme ich ein ganzes Kapitel der Frage "Haben wir alle die Sünde geerbt?" und beantworte sie mit Nein. Und ich widme ein ganzes Kapitel der Frage "Werden wir alle vor Gericht gestellt?" und beantworte sie ebenfalls mit Nein. Origenes hat an einigen Stellen seines Werkes eine eschatologische "Wiederherstellung aller" (griechisch: "apokatastasis panton") erwogen. Wer umfassend liebt, kann nicht anders, als sich für eine solche Allversöhnung hinzugeben. Für mich sind die Auferstandenen diejenigen, die ihr irdisches Leben in ihre neue Seinsform hinein vollendet haben. Dabei gibt es kein Scheitern. Der Gedanke, einen Teil der Menschheit "auf ewig" in Gottesferne und höllische Zustände zu verdammen, ist eine Ausgeburt menschlicher Machtansprüche und menschlicher Projektionsmechanismen.

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90. Verheerungen abwenden!  -  5. September 2010

In meinem Baustein 87. Mein Herr und mein Gott? habe ich das Gebet von Bruder Klaus in der von mir geänderten Form behandelt. Der Schluss dieses Gebets lautet für mich seither so:

          Du, mein Gott,
          nimm mich mir
          und gib mich ganz zu eigen dir
          und deiner Menschheit und deinem Kosmos.

Seit ich so bete, gebe ich mich täglich bewusst immer wieder Gott zu eigen und in seinem Namen der ganzen Menschheit und dem ganzen Kosmos. Den Einwand, dass das hochgestochen und abstrakt sei, kann ich nicht gelten lassen. Denn das ist ein Übungsweg, der mit den täglichen Ereignissen und Herausforderungen gepflastert ist. Der Übungsweg bedeutet für mich, auf jeden Menschen, der mir begegnet oder der mir in den Sinn kommt, genau zu schauen. Sollte dabei bei mir Angst aufkommen, dann geht es darum, auch auf diese Angst genau zu schauen. Genaues, liebevolles Schauen verhindert Abwehrreaktionen. Wenn ich zugleich den anderen Menschen und mich selbst genau anschaue, kommt es zu einem Wechsel der Perspektive. Auf einmal wird klar, dass der andere Mensch seinen eigenen Lebensweg hat, seine eigenen Sehnsüchte, und dass er von seinem Lebensweg und seinen Sehnsüchten her gesehen werden muss und kann. Es ist ungeheuer entlastend - für beide -  das andere Wesen nicht von den eigenen Erwartungen her zu sehen, sondern von dem, was diesem Wesen angemessen ist.

Ebenso geht es um genaues, liebevolles Schauen auf Tiere und Pflanzen, auf Biotope, auf Symbiosen, und das alles unter Einbeziehung der Menschen. Am Rio Xingu in Brasilien soll Belo Monte, der drittgrösste Staudamm der Welt entstehen, mit fatalen Auswirkungen auf das Ökosystem im Amanzonasbecken und die indigene Bevölkerung. Präsident Lula da Silva unterzeichnete vor wenigen Tagen einen Konzessionsvertrag mit dem Betreiberkonsortium. Die gewonnene Energie soll für die Aluminiumproduktion verwendet werden. Hier macht blanker Egoismus statt genauem Schauen blind für liebevolle Alternativlösungen.

Die Erde steuert auf unabsehbare Verheerungen zu, wenn es nicht überall auf der Erde zu Bewegungen von Menschen kommt, bei denen die Worte Gottes, die der Prophet Ezechiel einst den Israeliten zugesprochen hat, Realität geworden sind: "Ich will euch ein neues Herz verleihen und euch einen neuen Geist eingeben: Das steinerne Herz will ich aus eurer Brust herausnehmen und euch dafür ein Herz von Fleisch verleihen." (Ez 36,26.)

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89. Ist die Taufe christlich?  -  20. August 2010

Ist die Taufe christlich? Um diese Frage beantworten zu können, schaue ich zunächst auf die Stellen im Zweiten Bundesbuch, die etwas von der Taufe mitteilen.

Dort, wo uns die Taufe zum ersten Mal begegnet, ist es die Taufe des Johannes. Über die Taufe des Johannes wird in allen vier Evangelien berichtet. Nach dem Markusevangelium, das das älteste der Evangelien ist, predigte Johannes eine Taufe der Sinnesänderung zur Vergebung der Sünden, und er taufte die Menschen durch Untertauchen im Jordan. Auch Jesus ließ sich von Johannes im Jordan taufen. "Und sofort, heraufsteigend aus dem Wasser, sah er sich spaltend die Himmel und den Geist wie eine Taube herabsteigend auf ihn; und eine Stimme kam aus den Himmeln: Du bist mein geliebter Sohn, an dir fand ich Gefallen." (Mk 1,9-10 in der wörtlichen Übersetzung des Münchener Neuen Testaments.)

Peter Sardy weist mit Bezug auf das Buch "Das Jesus-Evangelium" von Günther Schwarz und Jörn Schwarz darauf hin, dass im Aramäischen (der Muttersprache Jesu) die Ausdrücke "wie eine Taube" und "geradewegs" nur durch Vokalzeichen unterschieden sind, die man damals noch nicht geschrieben hat. Der Geist steigt "geradewegs auf ihn herab" ist glaubhafter als "wie eine Taube auf ihn herab". (Nach: Peter Sardy, "Jesus oder Paulus - Der Weg einer Befreiung", S. 40.)

Jesus hatte hier also eine tiefe Erfahrung der liebenden Verbundenheit mit dem Geist oder Atem Gottes. "Jesus wurde von diesem Atem völlig verwandelt. Aus dem einfachen Handwerker, der eben noch Rettung vor einem göttlichen Zorngericht gesucht hatte, wurde ein Prophet mit einem mächtigen Selbstbewusstsein. Es war wie die Geburt eines neuen Menschen." (Peter Sardy, S. 41.)

Ob sich Johannes wirklich als Vorläufer eines Größeren gesehen hat oder nicht, braucht uns hier nicht zu beschäftigen. Der Autor des Markusevangeliums lässt ihn jedenfalls sagen: "Es kommt der Stärkere als ich nach mir... Ich taufte euch mit Wasser, er aber wird taufen euch mit heiligem Geist." (Mk 1,7-8 in der wörtlichen Übersetzung des Münchener Neuen Testaments.)

Das Sprechen von der Taufe mit heiligem Geist ist jedenfalls ein Bildwort und nicht buchstäblich zu verstehen. Die Wassertaufe wird durchgeführt, indem man in das Wasser eingetaucht wird. Eine vergleichbare Geisttaufe gibt es nicht. Es ist nicht möglich, dass dich jemand nimmt und in den Geist eintaucht. Die Formulierung "Er aber wird taufen euch mit heiligem Geist" verstehe ich so, dass wir alle, wie Jesus, dazu geboren sind, die Fülle heiligen Geistes zu empfangen, sanft oder umwerfend, früher oder später, langsam oder schnell. Diejenigen unter uns, denen die Fülle erst nach dem Tod geschenkt wird, in ihrer Aufarbeitung des irdischen Lebens, erhalten doch schon hier auf der Erde ein Angeld, das sie übersehen oder würdigen können.

Jesus wurde also durch die Erfahrung bei der Taufe völlig umgewandelt. Die Echtheit dieser Erfahrung wurde durch die Prüfungen während der vierzig Tage in der Wüste bestätigt. "Seine ganze Botschaft war schon in der ersten einfachen Einsicht enthalten: Weil Gott da ist, sollt ihr ihm vertrauen; weil Gott alle liebt, sollt ihr, wie er, alle lieben. Alles Weitere war nur Ausfaltung dieses Kerns." (Peter Sardy, S. 71-72.)

Als Jesus öffentlich zu lehren begann, war Johannes schon im Gefängnis. Jesus kam nach Galiläa, "verkündend das Evangelium Gottes und sagend: Erfüllt ist die Zeit, und nahegekommen ist das Königtum Gottes; kehrt um und glaubt an das Evangelium!" (Mk 1,14-15 in der wörtlichen Übersetzung des Münchener Neuen Testaments.)

Auch hier geht es um eine Sinnesänderung, die darin besteht, dass die unermessliche Liebe und helfende Kraft Gottes ernst genommen und angenommen wird. "Gottesherrschaft besagt einen Zustand, in dem endlich auch die Menschen genau das tun, was zum Heil aller dient." (Peter Sardy, S. 82.)

Auf die Frage der Pharisäer, wann das Königtum Gottes kommt, antwortete ihnen Jesus: "Das Reich Gottes kommt nicht mit äußerlichem Gebaren (= unter augenfälligen Erscheinungen); man wird auch nicht sagen können: 'Siehe, hier ist es!' oder 'Dort ist es!' Denn wisset wohl: Das Reich Gottes ist (bereits) mitten unter euch." (Lk 17,20-21.)

Jesus deutete hier an, dass er selbst und zum Teil auch die Seinen, die ihn begleiteten, das Reich Gottes schon in sich trugen, und dass es auch in der Reichweite der Fragenden war. Und Jesus sagte zu misstrauischen Leuten: "Wenn ich aber die bösen Geister durch Gottes Finger austreibe, dann ist ja das Reich Gottes (schon) zu euch gekommen." (Lk 11,20.)

Als die Jünger Leute mit Kindern fortschicken wollten, wurde Jesus unwillig und sagte ihnen: "Lasst die Kinder zu mir kommen, hindert sie nicht daran! Denn für ihresgleichen ist das Reich Gottes bestimmt. Wahrlich ich sage euch: Wer das Reich Gottes nicht annimmt wie ein Kind, wird sicherlich nicht hineinkommen!" (Mk 10,14-15.)

Peter Sardy hört hier keine Drohung, dass Menschen vom Reich Gottes ausgeschlossen werden sollen. Er hört etwas ganz anderes: Durch seine tiefe Gotteserfahrung und Heilserwartung war Jesus selbst seit seiner Taufe das Kind, das sich beschenken ließ. "Er sah die Gottesherrschaft als angekommen und sich selbst schon in dieser Gottesherrschaft. Nun rief er mit diesem Satz die anderen, wie er auch, hereinzukommen." (Peter Sardy, S. 88.)

Nun aber zurück zur Frage der Taufe. Als Jesus mit seinen Jüngern in Judäa unterwegs war, taufte er nicht selbst, doch er erlaubte den Jüngern, die von Johannes zu ihm gekommen waren, die Taufe des Johannes fortzusetzen. (Joh 3,22; Joh 4,1-2.)

In Mk 10,38 und Lk 12,50 steht das Wort Taufe in einer völlig anderen Bedeutung. Von den Evangelisten wird in diesen Versen Jesus als der alles Vorauswissende dargestellt, der bewusst auf seinen Tod am Kreuz zugeht und ihn als eine Taufe (Bluttaufe) bezeichnet. Dass Jesus diese Worte selbst gesprochen hat, halte ich für ausgeschlossen. Das ist Glaubensgut der jungen Christenheit.

Bis zu diesem Punkt konnte ich im Zweiten Bundesbuch kein Anzeichen entdecken, dass Jesus selbst getauft oder eine Taufe gelehrt hätte. Was nun noch zu untersuchen ist, ist der erst im 2. Jahrhundert hinzugefügte Schluss des Markusevangeliums und der Schluss des Matthäusevangeliums. In der späten Ergänzung des Markusevangeliums erscheint der auferstandene Jesus den Jüngern und sagt: "Geht hin in alle Welt und verkündigt die Heilsbotschaft der ganzen Schöpfung! Wer da gläubig geworden ist und sich hat taufen lassen, wird gerettet werden; wer aber ungläubig geblieben ist, wird verurteilt werden." (Mk 16,15-16.)

Es ist ein schöner und wahrer Satz, dass das Heil der ganzen Schöpfung vom Menschen abhängt. Das wird im 21. Jahrhundert klar, in dem der Mensch die Fähigkeit erreicht hat, die Erde zugrunde zu richten. Ob der im Evangelium ähnlich und doch anders formulierte Satz so gemeint war, sei dahingestellt. Der zweite Satz drückt für mich vor allem die Selbstgerechtigkeit der "Gläubigen" und ihre Unbarmherzigkeit gegenüber den "Ungläubigen" aus. Der Satz hat dazu geführt, dass man glaubte, außerhalb der gläubigen Gemeinschaft gebe es kein Heil, und dass man sich zu Verfolgungen und sogar Vernichtungen anderer Menschen autorisiert fühlte. Mit Jesus hat der Satz nichts zu tun.

Auch der Schluss des Matthäusevangeliums berichtet von einer Erscheinung des auferstandenen Jesus. Er sagt zu ihnen: "Darum gehet hin und macht alle Völker zu (meinen) Jüngern (oder: zu Schülern): Tauft sie auf den Namen des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes und lehrt sie alles halten, was ich euch geboten (= aufgetragen) habe." (Mt 28,19-20.)

Nach dem evangelischen Theologen und früheren Pfarrer Dieter Potzel ist die Erwähnung der Taufe auf Vater, Sohn und heiligen Geist "eine spätere Hinzufügung, wohl aus dem 2. Jahrhundert. Denn sie fehlt z.B. in früheren biblischen Handschriften, z.B. in Handschriften des Kirchenvaters Euseb vor 325 bzw. in Zitierungen bei den Kirchenvätern Justin und Aphraates." (Zeitschrift "Der Theologe", Ausgabe Nr. 40.)

Für mich liegt es auf der Hand, dass diese Hinzufügung nicht authentische Jesusworte, sondern die Taufpraxis der frühen Christenheit wiedergibt.

Mein Resultat beim Durchsehen der Evangelien ist also, dass Jesus weder getauft noch eine Taufpraxis gelehrt hat. Nichtsdestotrotz haben die Christen von Beginn an getauft - zunächst fast ausschließlich Erwachsene, mit Ausnahme der Fälle, wo ganze Familien getauft wurden.

Jesu Mutter Maria und die Seinen, die nach seinem Tod in Jerusalem beisammen waren, wurden nie getauft, doch sie hatten - vielleicht im Kollektiv, wie es am Beginn des 2. Kapitels der Apostelgeschichte geschildert wird - eine Erfahrung, von heiligem Geist erfüllt zu werden. Infolge dieser Geisterfahrung sprach Petrus öffentlich zu den Menschen - die in der Apostelgeschichte überlieferte Fassung seiner Rede enthält pauschale Vorwürfe gegen alle Juden, die wohl erst der Verfasser der Apostelgeschichte Jahrzehnte später eingefügt hat. Den Leuten, denen seine Rede zu Herzen ging, antwortete Petrus: "Tut Buße und lasst euch ein jeder auf den Namen Jesu Christi zur Vergebung eurer Sünden taufen, dann werdet ihr die Gabe des heiligen Geistes empfangen." (Apg 2,38.)

Es ist durchaus glaubhaft, dass zunächst nur auf den Namen Jesu getauft wurde. Die Verquickung der Taufe mit der Gabe von heiligem Geist ist nach meiner Meinung problematisch. Eine magische Automatik ist nicht zu erwarten.

In der Apostelgeschichte wird auch berichtet, wie Paulus in Ephesus zu einigen Johannesjüngern sprach, die er auf Jesus hinwies. "Als sie das hörten, ließen sie sich auf den Namen des Herrn Jesus taufen; und als Paulus ihnen dann die Hände auflegte, kam der heilige Geist auf sie, und sie redeten mit Zungen und sprachen prophetisch." (Apg 19,5-6.)

Wie auch an anderen Stellen der Apostelgeschichte werden hier Glossolalie (ekstatisches, unverständliches Sprechen, das einer Deutung bedarf) und sogenanntes prophetisches Reden als Zeichen dafür angeführt, dass die Taufe eine echte Umwandlung des Menschen bewirkt hat. Bis auf den heutigen Tag sind solche Zeichen jedoch mit großer Vorsicht zu behandeln. Neben echter religiöser Ergriffenheit können hier auch ganz andere Phänomene vorliegen. Auch sind spektakuläre Erlebnisse noch keine Garantie für eine echte Umwandlung. Eine solche wird vielmehr auf vielen Schritten des Lebensweges geschenkt und erarbeitet.

Getauft wurde mit Wasser. Als Beispiel dafür führe ich die Taufe des äthiopischen Hofbeamten durch Philippus an. "Als sie nun so auf der Straße dahinfuhren, kamen sie an ein Gewässer; da sagte der Hofbeamte: 'Hier ist ja Wasser! Was steht meiner Taufe noch im Wege?' Er ließ also den Wagen halten, und beide stiegen in das Wasser hinab, Philippus sowohl wie der Hofbeamte, und er taufte ihn." (Apg 8,36.38.)

Warum man die Taufe eingeführt hat, lässt sich heute nicht mehr rekonstruieren. Das Untertauchen bedeutete sinnbildlich ein Sterben. Paulus erklärt das im Römerbrief so: "Wir sind also deshalb durch die Taufe in den Tod mit ihm begraben worden, damit, gleichwie Christus von den Toten auferweckt worden ist durch die Herrlichkeit des Vaters, ebenso auch wir in einem neuen Leben wandeln." (Röm 6,4.)

Zu einem solchen neuen Leben sind alle Menschen unterwegs, ob sie nun getauft sind oder nicht.

Von diesem Pauluszitat bis zu den Formulierungen über die Taufe im heutigen Katechismus der römisch-katholischen Kirche ist ein weiter Weg, der leider in den Jahrhunderten der Kirchengeschichte scheinbar unverrückbar eingerichtet wurde. Hier einige Beispiele dafür:

"403 Im Anschluß an den hl. Paulus lehrte die Kirche stets, dass das unermessliche Elend, das auf den Menschen lastet, und ihr Hang zum Bösen und zum Tode nicht verständlich sind ohne den Zusammenhang mit der Sünde Adams und mit dem Umstand, dass dieser uns eine Sünde weitergegeben hat, von der wir alle schon bei der Geburt betroffen sind und die der Tod der Seele ist."

"405 Obwohl einem jeden eigen, hat die Erbsünde bei keinem Nachkommen Adams den Charakter einer persönlichen Schuld. Der Mensch ermangelt der ursprünglichen Heiligkeit und Gerechtigkeit, aber die menschliche Natur ist nicht durch und durch verdorben, wohl aber in ihren natürlichen Kräften verletzt. Sie ist der Verstandesschwäche, dem Leiden und der Herrschaft des Todes unterworfen und zur Sünde geneigt; diese Neigung zum Bösen wird Konkupiszenz genannt. Indem die Taufe das Gnadenleben Christi spendet, tilgt sie die Erbsünde und richtet den Menschen wieder auf Gott aus, aber die Folgen für die Natur, die geschwächt und zum Bösen geneigt ist, verbleiben im Menschen."

Indem man von fundamentalistischen Gedanken her ein Zerrbild des Menschen entworfen und eine sogenannte Erbsünde erfunden hat (ausgehend bei Augustinus von Hippo), hat man die Notwendigkeit der Taufe zementiert. Die Taufe ist bis heute das einzige Eintrittsportal in eine christliche Gemeinschaft. (Mit ganz wenigen Ausnahmen. Z.B. begehen die Quäker weder Taufe noch Abendmahl.) Jesus hat sich bis zu seinem Martertod für die Befreiung der Menschen eingesetzt, nicht für die Erfindung immer neuer Kirchengesetze. Aus seinem Leben und Sterben ist die Einführung der Taufe nicht begründbar.

Feedback von Peter Sardy:

Sie erwarten ein Feedback zu "Ist die Taufe christlich?“, in dem auch mehrere Zitate von mir stehen. Ich bin mit allem einverstanden. Was mir allerdings auffiel: Es ist mehr ein (guter) Traktat als ein "Splitter“ - es fällt einem ans Internet gewöhnten Leser nicht leicht, bis zum Ende dabei zu bleiben. Ein "Splitter“ ist nicht schwer zu überblicken, die Pointe darin ist nicht lange zu suchen. In diesem Sinn finde ich die Pointe hier nicht formuliert. Es könnte vielleicht sein: "Leute, denkt nach, was 'christlich' bedeutet, nämlich geschichtlich Entstandenes, somit nicht Endgültiges!“ Dieser Aspekt ist ja in manchen Ihrer Beiträge (mehr oder weniger offen) angesprochen und könnte sogar die ganze Sammlung der Bausteine kennzeichnen.

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88. Hängt Jesus noch immer am Kreuz?  -  20. August 2010

Es gibt kaum ein römisch-katholisches Kirchengebäude, wo man nicht eine Nachbildung des sterbenden oder toten Jesus am Kreuz findet. Unwillkürlich meine ich, dass damit den Menschen diese enge Theologie eingehämmert werden soll, dass sie alle Sünder sind, von der Erbsünde nur durch ihn befreit, dadurch, dass er abgeschlachtet wurde als Sühnopfer für unsere Sünden.

Diese Darstellung widerspricht den Tatsachen. Denn Jesus hängt nicht mehr als Leichnam am Kreuz. Er lebt. Er ist auferstanden, was besagt, dass er sein irdisches Leben ganz vollendet hat. Er hat es voll integriert in das Leben, das er jetzt hat. Das Leben des irdischen Jesus und das Leben des auferstandenen Jesus sind nicht durch den Tod getrennt. Der Tod bedeutet keine Trennung. Es gibt nur das eine Leben, das mit dem Tod nicht endet. Jesus hat dieses Leben schon auf der Erde in einer Art und Weise erfüllt, wie es uns anderen Menschen nur gegeben ist, weil er lebt. Er hat schon auf der Erde die buchstäblich grenzenlose Hingabe gelebt, bis in seinen Foltertod hinein, dem er nicht ausgewichen ist. Er hat schon auf der Erde das, was er gespürt hat, mit allen Konsequenzen gelebt und dabei die Grundfesten des Fundamentalismus ein für alle Mal zum Einsturz gebracht.

Wir haben die hohe Verantwortung, in seiner Nachfolge das Aufblühen der Erde in all ihren Lebensformen und den Frieden unter den Menschen zu verwirklichen. Wenn ich sage "in seiner Nachfolge", so meine ich nicht, dass jeder Mensch dem nachfolgen soll, was in christlichen Kirchen gelehrt wird. Die christlichen Kirchen haben mit ihren Lehren das, was Jesus in die Welt gebracht hat, bis zur Unkenntlichkeit verzerrt. Ich meine auch nicht, dass sich jeder Mensch dafür interessieren muss, was von Jesus überliefert ist. Ich meine vielmehr, dass es jedem Menschen möglich ist, den Faden aufzunehmen und weiterzuspinnen, den Jesus in die Welt hinein geschenkt hat und schenkt. Um den zu spüren und das Entsprechende zu tun, muss man Jesus nicht kennen.

Noch zwei Bemerkungen: In evangelisch-lutherischen Kirchen ist es Tradition, Kreuze ohne Korpus darauf zu haben. Damit soll deutlich gemacht werden, dass Jesus auferstanden ist und lebt. In evangelisch-reformierten Kirchen gibt es - mit Ausnahmen - gar kein Kreuz. Eine Ausnahme ist z.B. das Auferstehungskreuz von Josef Ammann in der evangelisch-reformierten Kirche von Sargans · Mels · Vilters - Wangs in der Schweiz.

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87. Mein Herr und mein Gott?  -  20. August 2010

Wie ich schon in mehreren Bausteinen erzählt habe, rede ich Gott gerne mit dem Ausruf des Thomas aus dem Johannesevangelium an: Mein Herr und mein Gott. (Joh 20,28.)

Über Gott kann ich dreierlei sagen. Gott ist vor allem transzendent. Diese Transzendenz bedeutet, dass die meisten Aussagen über Gott nicht getroffen werden können. Man kann nicht sagen: Gott ist männlich, Gott ist weiblich, Gott ist allmächtig, Gott ist gütig, Gott ist gerecht, usw. Aber die Transzendenz bedeutet keine hermetische Abgeschlossenheit von jeder Aussagemöglichkeit. Ein kleiner Tropfen Information sickert doch durch. Und dieser Tropfen sagt mir, wie es auch im 1. Johannesbrief steht: Gott ist Liebe. (1 Joh 4,8.)

Der Satz kommt im 1. Johannesbrief zusammen mit einer engen Theologie, die besagt, dass Gott seinen einzigen Sohn als Sühnopfer für unsere Sünden hat hinschlachten lassen, dass es einen Tag des Gerichts gibt, dass es eine Sünde gibt, die zum Tod, d. h. zu ewiger Getrenntheit von Gott führt. Eine solche sadomasochistische Theologie darf heutzutage nicht mehr angenommen werden. In meiner Bearbeitung des 1. Johannesbriefs sind diese Tendenzen eliminiert.

Gott stellt keine Bedingungen wie ein kleinlicher Erzieher, der sagt: Wenn du das tust, wirst du geliebt, wenn du aber jenes tust, wirst du nicht geliebt. Die Liebe Gottes ist bedingungslos. Daher können wir uns Gott vollständig und bedingungslos anvertrauen.

Wenn wir uns Gott anvertrauen, ist er für uns nicht mehr nur ein abstraktes Prinzip, von dem man nichts aussagen kann. Er ist dann nicht zu einer Person geworden und schon gar nicht zu einem Mann, aber er ist nun ansprechbar. Traditionelle Anreden für Gott sind die Worte Gott, Vater und Herr. Dabei ist das Wort Gott wie ein Platzhalter für etwas, das man nicht aussprechen kann. Das Wort Vater kann über Gott nicht ausgesagt werden, aber es drückt das Vertrauen aus. Das Wort Herr kann über Gott ebenfalls nicht ausgesagt werden, aber es drückt die Ehrfurcht aus.

Ich möchte Gott nicht mehr so einengen, dass ich im Gebet sage, er ist nur Herr, was seine Herrschermacht und seine Männlichkeit ausdrückt. Den Schluss des Gebets von Bruder Klaus spreche ich daher jetzt so:

Du, mein Gott, nimm mich mir und gib mich ganz zu eigen dir und deiner Menschheit und deinem Kosmos.

Das Gebet von Bruder Klaus spreche ich jetzt so:

Du, mein Gott,
nimm von mir,
was mich wegführt von dir.

Du, mein Gott,
gib mir,
was mich hinführt zu dir.

Du, mein Gott,
nimm mich mir
und gib mich ganz zu eigen dir
und deiner Menschheit und deinem Kosmos.

Über Gott kann ich dreierlei sagen. Gott ist transzendent. Gott zeigt sich als ansprechbarer Gott. Und Gott zeigt sich auch als Gott im Kosmos. Dass Gott in allen Wesen des Kosmos lebt, in jedem Berg, in jedem Fluss, in jedem Baum, in jedem Büffel, in jedem Menschen, das haben die Indianer erkannt, doch sie wurden fast ausgerottet und ihre Religion wurde als primitiv zurückgedrängt.

Gott lebt in mir. Die Christen nennen das den heiligen Geist. Jedoch: Gott lebt in mir nicht als dritte Person der Trinität, denn das sind menschliche Erfindungen. Gott lebt in mir als eine Kraft, als etwas, das sich in vielen Ereignissen meines Lebens schenkt, als etwas, das mich leitet. Ich habe es auch mein Daimonion genannt, wie auch Sokrates von seinem Daimonion gesprochen hat. (Näheres siehe meinen Baustein 64. Des Sokrates und mein Daimonion.)

Gott lebt in mir nicht einfach nur als eine Kraft. Gott lebt in mir als Gott selbst, als das, was mich über mich selbst hinausführt. Ich werde dadurch etwas, das ich nicht in Worte fassen kann. Ich werde es, wie Jesus es geworden ist, wie er es ist.

Feedback von Peter Sardy:

Eine Perle auf dem mühsamen Weg der Suche nach einem "gültigen“ (für uns "zeitgemäßen“) Gottesbild sehe ich in Ihrem Beitrag "Mein Herr und mein Gott?“ - Wie Sie die Transzendenz Gottes – für "normales christliches Denken“ unerwartet – in neues Licht stellen (er "ist nicht Vater“), das ist wert, in weiten Kreisen bekannt zu werden. Und im gleichen Beitrag ist dann noch Raum, in dem neuen Licht auch die Immanenz Gottes daneben zu stellen ("Gott lebt in mir nicht einfach nur als eine Kraft. Gott lebt in mir als Gott selbst, als das, was mich über mich selbst hinausführt.“). Das finde ich sehr gut gesehen und wunderbar formuliert. Als notwendige "Lebenshilfe“ für uns wäre ein nur als transzendent oder nur als immanent gesehener Gott gleicherweise zu "schwach“. Wir müssen beide Eigenschaften zusammen denken, um unserem Begriff eines "unsagbar Transzendenten“ Lebenskraft zu verleihen...

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86. Bösmensch, Hartei und Schwarzteetrinker  -  23. Juli 2010

Zur Diffamierung werden die Worte "Gutmensch", "Weichei" und "Grünteetrinker" verwendet, manchmal sogar in Kombination. Auch die Worte "Bösmensch" und "Hartei" werden als Schimpfworte benützt, das Wort "Schwarzteetrinker" eher nicht. Jedenfalls gibt es weder den "Gutmensch" noch den "Bösmensch" - es gibt nur "Das Tier Mensch" (Titel eines Buches von Desmond Morris). Der Mensch ist das einzige Tier, das sich aus der Ordnung der Natur herausgehoben fühlen kann, das sagen kann: "Ich bin kein Tier".

In einem dreitausend Jahre alten Mythos steht der Satz: "Da schuf Gott den Menschen nach seinem Bild" (1 Mose 1,27). Ich bin der Meinung, dass man diesen Satz vom Menschen her sehen muss. Er sagt aus, dass sich Gott uns Menschen nach dem Bild des Menschen zeigen kann, zum Beispiel als Vater.

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85. Aus dem innersten Herzen  -  10. Juli 2010

In meinem Baustein 79. Mit Blindheit geschlagen habe ich von einem evangelischen Gottesdienst mit Abendmahl berichtet, der von einer evangelischen Lektorin geleitet wurde. In ihrer Antwort zu dem Baustein schrieb sie: "Das Lektorenamt erfüllt mich aus dem innersten Herzen."

Diese Formulierung fällt mir immer wieder ein, und so gehe ich der Frage nach: Was ist denn das eigentlich, das innerste Herz?

Ich beginne mit der Frage: Wie wird das Herz in der Bibel gesehen? "Das Herz wird in der Schrift oft als Sitz der Zuneigungen und Leidenschaften gesehen. Aber auch in Verbindung mit Weisheit und Verstand lesen wir von einem 'weisen Herzen'. Der Herr gab z.B. Salomo ein 'weises und einsichtsvolles Herz' (1. Kön 3,12). Es ist das Zentrum des Wesens des Menschen." (Aus: Bibel-Lexikon von www.bibelkommentare.de.)

Das Herz ist das Zentrum des Menschen in seiner Ganzheit. Und das innerste Herz? Das innerste Herz ist das Herz in vollständiger Hingabe.

Ich liebe das Wort "Herz" sehr. Und in meiner Zusammenschau der synoptischen Evangelien (Mt, Mk, Lk) kommt es sogar noch häufiger vor als im Originaltext. Meine Zusammenschau wird unter dem Namen "Botschaft ohne Grenzen" bis Jahresende in Buchform erhältlich sein. Ich bringe jetzt einige Beispiele mit dem Wort "Herz" aus diesem Buch.

"Glücklich werden die, die nicht täuschen und verleumden, sondern sich ein reines Herz bewahren, denn Gott wohnt in ihnen." (Nach Mt 5,8.)

"Meine Jüngerinnen und Jünger, die von Herz zu Herz mit mir verbunden sind, sind das Salz der Erde, wie auch ich das Salz der Erde bin." (Nach Mt 5,13.)

"Meine Jüngerinnen und Jünger, die von Herz zu Herz mit mir verbunden sind, sind das Licht der Welt, wie auch ich das Licht der Welt bin." (Nach Mt 5,14.)

"Hänge dein Herz nicht an Gegenstände, die zugrunde gehen, sondern verschenke dein Herz und freue dich, wenn etwas zurückkommt." (Nach Mt 6,21; Lk 12,34.)

"Seid sanftmütig und von Herzen demütig wie ich. Auf diese Weise werdet ihr die Welt verändern." (Nach Mt 11,29.)

"Der Herr, unser Gott, ist  der einzige Gott. Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, mit deiner ganzen Kraft und mit all deinen Gedanken und Gefühlen. Und ebenso sollst du deinen Mitmenschen lieben, denn er ist kostbar wie du selbst." (Mt 22,37-39; Mk 12,29-31; Lk 10,27.)

Feedback von Irene Wallner-Hofhansl:

Habe gerade deinen Baustein zum innersten Herzen gelesen und stimme mit dir überein. Das innerste Herz kann auch, so meine ich, mit dem innerlichsten Teil meines Selbst  verstanden werden, das was tief in mir (von Gott) angelegt worden ist.

Vergleichbar mit einer tiefen Liebe, aber doch anders...

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84. Altar oder Abendmahlstisch?  -  10. Juli 2010

Der Altar ist ursprünglich eine Stätte, um Opfer darzubringen. Nach katholischem Verständnis ist er der Ort, um das Opfer, das Jesus am Kreuz ein für allemal dargebracht hat, nicht zu wiederholen, sondern zu vergegenwärtigen.

Die evangelische und die reformierte Kirche gehen ebenfalls von dem einzigen Opfer Jesu aus. Nach evangelischem Verständnis ist der Altar der Tisch, zu dem man gerufen wird, um das Abendmahl zu empfangen. In reformierten Kirchen gibt es keinen Altar, jedoch einen Abendmahlstisch.

Nach Peter Sardy müssen wir immer allen Menschen vergeben, ohne etwas zu verlangen, denn das ist die Weise, wie Gott uns vergibt. "Das ist die klare 'Erlösungslehre' Jesu."

"Erst seit Paulus gehört es zu den Grundlagen christlicher Theologie, dass Gott für die Vergebung der vielen Sünden als Gegenleistung ein blutiges Sühnopfer forderte, und um den unendlichen Kaufpreis aufzubringen, sei er selbst Mensch geworden und habe sich kreuzigen lassen, damit er dann die Schuld korrekterweise nachlassen könne ... Diese unmögliche Behauptung ... Mit dem Gottesbild Jesu ist sie schlicht unvereinbar!" (Aus: "Jesus oder Paulus - Der Weg einer Befreiung" von Peter Sardy, S.107.)

Das entspricht meiner Meinung. Der Abendmahlstisch ist für mich ein einfacher Tisch, um den wir uns zur lebendigen Nachfolge Jesu versammeln, nicht zum Gedächtnis eines Opfers.

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83. Was ist die Wirklichkeit?  -  25. Juni 2010

Es gibt Perspektiven der Wirklichkeit und Modelle der Wirklichkeit, die auf solchen Perspektiven aufbauen.

Eine Wirklichkeit an sich gibt es nicht. Es gibt nur das Integral über die Perspektiven der Wirklichkeit. Diese Aussage entspricht selbst wieder einem Modell.

Es gibt keinen Gott an sich, der in sich selbst Trinität wäre.

Meine Aussage "Das gibt es nicht" bedeutet, dass man darüber nichts sagen kann. Meiner Meinung nach kann man nicht deswegen darüber nichts sagen, weil man darüber nichts wissen kann, sondern deswegen, weil es sich hier um eine Denkweise der Metaphysik handelt. Ich komme immer mehr dazu, Denkweisen der Metaphysik in meinem Denken und Sprechen auszuschließen.

Der Begriff „Metaphysik“ bezieht sich auf ein Werk des Aristoteles, das aus 14 Büchern allgemeinphilosophischen Inhalts bestand. Aristoteles selbst verwendete den Begriff nicht. Andronikos von Rhodos (1. Jahrhundert v. Chr.) ordnete in der ersten Aristotelesausgabe diese Bücher hinter dessen acht Bücher zur „Physik“ ein (tà metà tà physiká). Dadurch entstand der Begriff der „Metaphysik“, der also eigentlich bedeutet: „das, was hinter der Physik im Regal steht“, aber gleichzeitig bedeutet: „das, was nach der Physik kommt“. (Nach Wikipedia.)

Wenn ich von Metaphysik spreche, habe ich insbesondere Platon und Aristoteles im Auge sowie die daran anschließende hellenistische Philosophie mit dem Neuplatonismus, da Gedankengut der hellenistischen Philosophie auch das Zweite Bundesbuch und die frühen christlichen Konzilien beeinflusst hat und die Theologie daher bis heute beeinflusst.

Auch für mich ist der Begriff Logos unaufgebbar, der in der griechischen Philosophie, im hellenistischen Judentum und im Christentum (Prolog des Johannesevangeliums!) verwendet wird.

Für mich ist es wichtig, die Frage der Wirklichkeit vom menschlichen Erleben her zu sehen. Jeder Mensch ist mit allem verbunden. In jedem Erlebnis öffnet sich eine Perspektive der Gesamtwirklichkeit, und die können wir wahrnehmen, wenn wir schauen, hören und es zulassen. Bei Beobachtungen jedweder Art ist es wichtig, dass nicht der eigene Lebensfilm abläuft, und besonders, dass nicht Angst oder Frust aufkommen, da sonst die Wahrnehmung sofort verzerrt wird. Wenn Angst oder Frust aufkommen, müssen parallel zur weiterlaufenden Beobachtung sofort Angst oder Frust zum Thema der Beobachtung gemacht werden.

Das sagt sich leichter als es ist.

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82. Das Kirchenfrauenkabarett  -  22. Juni 2010

Während der Kirchenvolks-Konferenz im Bildungshaus Batschuns haben wir am 19. Juni 2010 eine Aufführung des Vorarlberger Kirchenfrauenkabaretts (www.kirchenfrauen-kabarett.at) erlebt. Sie wurde von mir und allen Anwesenden begeistert aufgenommen. Ihre Motivation beschreiben die Frauen so:

"Wir beobachten das Geschehen, sammeln öffentliche Aussagen und Taten hoher Kirchenmänner und deren Gefolgsleute in Zeitschriften, Tageszeitungen, Radio, Fernsehen, Internet. Jedes Zitat, das wir verwenden, ist genau recherchiert und belegt. Wir greifen dabei in erster Linie Aussagen auf, die bei uns und vielen anderen Wut und Frust auslösen und verarbeiten alles humorvoll und kritisch zu Kabarett - als 'Frustschutzprogramm'."

"Man fragt uns des Öfteren, warum wir uns in dieser Kirche überhaupt noch engagieren. Wir wissen, dass wir nur etwas verändern können, wenn wir bleiben, und wir haben mit dem Kabarett eine Form gefunden, Konflikte zu verarbeiten und unseren Protest vorzubringen. Ein österreichischer Prälat hat gesagt: 'Konstruktive Kritik und gezielte Rebellion gegenüber der Kirche sind ein kräftigeres Zeichen von Liebe als resigniertes Schweigen und Lauheit.' Dieses Zitat bringt auf den Punkt, was uns motiviert."

"Für die Gestaltung der Programme verwenden wir unterschiedliche literarische und musikalische Formen. Im Laufe unserer 'Kabarettarbeit' wurde es uns auch immer wichtiger, in jedem Programm ernste Nummern zu gestalten, wie z.B. die Nichteinhaltung der Menschenrechte innerhalb der Kirche."

Auch in politischen Diktaturen hat das Kabarett stets gelebt. Zwischenzeit, die Initiative für soziale, interkulturelle und ökologische Forschung, Analyse und Bildung in Münster (www.zwischenzeit-muenster.de), präsentiert derzeit einen Kabarett-Abend der Spielvereinigung Penetrant & Selten Komisch mit Texten, Szenen und Chansons aus der Zeit des Dritten Reichs. Dazu gibt es folgende Information:

"Es gab sie auch während des Dritten Reichs: Versuche, kunstvoll und künstlerisch gegen das Grauen des Nationalsozialismus anzulachen. Kabarett, Satire und despektierlicher Spott überlebten selbst jene zwölf Jahre des 'tausendjährigen Reiches', über denen der Nachwelt das Lachen verging."

"Flüsterwitze huschten von Mund zu Ohr und konnten während des Zweiten Weltkriegs - als 'Wehrkraftzersetzung' - Konzentrationslager oder Tod bedeuten."

"Sogar in den Konzentrationslagern wurde Kabarett gespielt."

Es geht nicht darum, den Papst und Hitler zu vergleichen. Es geht darum, das Unrecht zu demaskieren - wo auch immer es geschieht.

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81. Was hat Jesus mit Gott zu tun?  -  22. Juni 2010

In dem Baustein 76. Die Bezogenheit auf den Kosmos habe ich die Schlussworte des Gebets von Bruder Klaus erweitert, sodass sie lauteten:

Mein Herr und mein Gott, nimm mich mir und gib mich ganz zu eigen dir und deiner Schöpfung.

Von 18. bis 20. Juni 2010 nahm ich an einer Kirchenvolks-Konferenz im Bildungshaus Batschuns teil. Die Veranstaltung war von "Wir sind Kirche" - Österreich organisiert. Ich gehöre zum Team der Veranstalter. Das Thema war: "Für eine Kirche mit Zukunft - Eckpunkte für eine menschenrechtskonforme Kirchenverfassung". Mitten während dieser Tage gab es wieder eine Erweiterung des Gebets von Bruder Klaus, denn es betete in mir:

Mein Herr und mein Gott, nimm mich mir und gib mich ganz zu eigen dir und deiner Kirche und deiner Schöpfung.

Seither bete ich es immer so, wann auch immer mir das Gebet einfällt, bei Tag und in der Nacht. Als das Gebet in dieser erweiterten Form in mir entstand, fragte ich mich: Wer ist das eigentlich, den ich da mit "Mein Herr und mein Gott" anrede? Und was hat Jesus mit ihm zu tun?

Da entstand in mir die Antwort: Jesus wohnt im innersten Herzen Gottes.

Und ich fragte mich: Wessen Kirche ist das also?

Die Antwort ist mit dem Bisherigen schon gegeben. Es ist die Kirche aller, die zu Jesus bewusst Ja sagen, die ihm nachfolgen oder ihn nachahmen.

"Mein Herr und mein Gott", das sind die Worte, mit denen Thomas den auferstandenen Jesus anredet, wie er den Jüngerinnen und Jüngern erscheint. (Siehe Joh 20,28.) Und doch rede ich in meinen Psalmenbearbeitungen, die in meinem Buch "Du bist da" veröffentlicht sind, Gott gerne so an. Das tue ich, obwohl diese Psalmen in eine Zeit gehören, lange bevor Jesus auf der Erde geboren wurde. Doch der lebendige Gott, der angebetet wurde, lange bevor Jesus auf der Erde geboren wurde, trägt Jesus in seinem Herzen, denn Jesus wohnt im innersten Herzen Gottes. Von ihm ist er niemals getrennt.

Ergänzung vom 19. August 2010:

In der letzten Zeit habe ich die kosmische Dimension Gottes so stark erfahren. Außerdem ist ja der folgende Satz für mich essenziell: Meine Kirchgemeinde ist die Menschheit und mein Gotteshaus ist die Erde. Daher bete ich den Schluss des Gebets von Bruder Klaus jetzt immer so:

Mein Herr und mein Gott, nimm mich mir und gib mich ganz zu eigen dir und deiner Menschheit und deinem Kosmos.

Wenn ich es so bete, habe ich ein Gefühl von Weite, Freiheit, Glück und Verantwortung.

Feedback von Gerhild Krotz:

Der Kosmos ist mir zu weit weg. Dafür bin ich nicht verantwortlich. Ich bin nur für die Erde zuständig.

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80. Was ist für mich "die Kirche"?  -  14. Juni 2010

"Die Kirche" ist für mich nicht einfach die römisch-katholische Kirche, deren Mitglied ich bin, nach zweimaligem Austritt und Wiedereintritt. "Die Kirche" ist für mich auch nicht einfach die Gesamtheit aller christlichen Gemeinden.

Nach Karl Rahner gibt es auch noch die "anonymen Christen": "Wer sein Dasein, also seine Menschheit annimmt in schweigender Geduld als das Geheimnis, das in sich das Geheimnis ewiger Liebe birgt und im Schoß des Todes das Leben trägt, der sagt auch, wenn er es nicht weiß, zu Jesus Christus Ja."

Es ist gefährlich, sich so auszudrücken. Ich kenne eine muslimische Stellungnahme, bei der der Autor dies als theologische Vereinnahmung bezeichnet.

Nach meiner Auffassung berührt die unfassbar große Liebe, die das Innerste und Äußerste von allem ist, jedes Detail des Kosmos und jeden Menschen. Und niemand verkörpert diese Liebe so wie Jesus, in menschlicher Gestalt und darüber hinaus. In seiner Nachfolge soll diese Liebe auch durch mich strömen, ohne dass dies durch meinen Tod beendet wird, immer und überall und überallhin.

Meine Kirchgemeinde ist die Menschheit und mein Gotteshaus ist die Erde.

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79. Mit Blindheit geschlagen  -  14. Juni 2010

Die Führer der römisch-katholischen Kirche sind mit Blindheit geschlagen, indem sie immer noch das weibliche Element in der Kirche zurückdrängen.

Vor einer Woche habe ich - als Mitglied der römisch-katholischen Kirche - an einem Abendmahlsgottesdienst der evangelischen Kirche teilgenommen, der von einer evangelischen Lektorin geleitet wurde, die dazu die Beauftragung hatte. Dabei habe ich eine Frau am Altar erlebt, die in überzeugender Weise sowohl die evangelische Tradition als auch die Verbundenheit mit Jesus dargestellt hat. Wenn sie gebetet hat, war sie im Gebet. Wenn sie verkündigt hat, war sie in der demütigen und doch bestimmten Wiedergabe dessen, was ihr anvertraut ist.

Das weibliche Element in Hingabe und Verantwortung würde auch in der römisch-katholischen Kirche eine große Bereicherung bedeuten. Ist es nicht peinlich, wenn sich geistliche Schwestern zur Eucharistiefeier einen männlichen Priester ins Haus holen müssen, oder wenn sie nur bei einem männlichen Priester beichten dürfen?

Es muss eine kirchliche Ordnung geben, eine Beauftragung zu sakramentalem Vollzug in der Öffentlichkeit. Diese Beauftragung muss nicht immer von oben kommen, sie kann auch von unten, von der Gemeinschaft gegeben werden. Eine solche Beauftragung würde auch in der römisch-katholischen Kirche genügen. Eine Weihe zur Priesterin - bzw. zum Priester - ist nicht unbedingt nötig.

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78. Glasnost und Perestroika in der Kirche  -  14. Juni 2010

Michail Gorbatschow hat dem politischen System in der Sowjetunion ab 1985 entscheidende Impulse gegeben, die weltweit wirksam wurden. Er sprach von Glasnost (Offenheit, Transparenz, Informationsfreiheit) und Perestroika (Umbau, Umgestaltung, Umstrukturierung), innenpolitisch auch von Demokratisierung, was die Zulassung mehrerer Kandidaten bei Wahlen bedeutete. Seine Impulse führten zum Zusammenbruch des Ostblocks und der Sowjetunion und zum Entstehen eines anderen Russland.

Es gibt für mich keinen Zweifel, dass in der römisch-katholischen Kirche ein Übergang zu Glasnost und Perestroika dringend erforderlich ist, begleitet von Demokratisierung bei der Bestellung der Amtsträger. Solche Impulse werden zum Zusammenbruch des absolutistischen, monarchistischen Kirchensystems führen und die Kirche neu erstrahlen lassen.

In der Sowjetunion wurde diese Bewegung durch ein Zulassen von oben in Gang gesetzt. In der römisch-katholischen Kirche ist kein Papst in Sicht, der über den entsprechenden Weitblick und das entsprechende Durchsetzungsvermögen verfügen würde.

Nach Hegel wird der Gang der Geschichte durch den Weltgeist bestimmt. In widrigen Umständen setzt die "List der Vernunft" ein, die auch egoistische, machtgierige, ja sogar verbrecherische Vorkommnisse in ihrem Sinn verwenden kann, um den Fortschritt zu mehr Freiheit und Liebe zu erreichen.

Letzten Endes müssen die Impulse von oben und die Impulse von unten zusammenwirken.

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77. Kategorien und Paradigmen  -  27. Mai 2010

Nach der Brockhaus-Enzyklopädie ist die allgemeine Bedeutung des Wortes Kategorie eine Gruppe, in die jemand oder eine Sache eingeordnet wird. Desmond Morris sagt in dem Buch "Das Tier Mensch", S. 177/178: "Hat man eine bestimmte Kunstform erst einmal benannt und kategorisiert, kann man alle Werke, die in diese Kategorie fallen, nach Güte und Wert einordnen... Sobald eine Kategorie besteht, kann man die zugehörigen Kunstobjekte definieren."

Und Objekte, die man keiner Kategorie zuordnen kann? Sind etwa meine Bücher solche Objekte?

In meinen Büchern "Du bist da - Die Psalmen der Bibel in neuer Bearbeitung", "Du bist Liebe - Die Johannes-Schriften der Bibel in neuer Bearbeitung" und "Botschaft ohne Grenzen - Eine neue Zusammenschau der synoptischen Evangelien" habe ich die Bibel als Text hergenommen, den man bearbeiten und verändern kann. Und ebenso habe ich in meinem Buch "Hände weg, doch pack an - Das Daodejing in neuer Bearbeitung" die Texte des Daodejing frei umgeformt. Ich habe die Bearbeitungen aus der Quelle meiner Hingabe vorgenommen, um etwas Neues zu schaffen. Und wo gehören diese Bücher jetzt hin? Wie ich hoffe, in keine bekannte Kategorie.

Ich habe mir angesehen, nach welchen Kriterien verschiedene Verlage die Bücher auswählen, die sie herausgeben. Bei christlichen Verlagen findet man oft den Hinweis: Es muss biblisch fundiert sein. Doch das bringt mich zu der Frage: Wie fundiert ist die Bibel? Die Bibel ist heilige Schrift. Das ist für mich keine Frage. Doch sie enthält nicht das Wort Gottes in Reinkultur, denn so etwa gibt es nicht. Die Bibel enthält Theologien, Ansichten von Theologen, und diese Ansichten sind nach orientalischer Art oft in Erzählungen verpackt. Mit anderen Worten: Die Theologie beginnt nicht erst nach der Aufzeichnung der biblischen Schriften, sondern bereits bei ihrer Aufzeichnung. Und es ist nicht jede dieser ursprünglichen Theologien geeignet, immer weiter mitgeschleppt zu werden. Und wenn man sie nicht mehr mitschleppen will, ist es besser, die Originaltexte zu ändern, als sich mit Interpretationen zu behelfen.

In meinen Büchern "Jesus für alle - Die Abenteuer Gottes" und "Jesus ohne Dogmen - Die christlichen Wahrheiten neu formuliert" entfalte ich die Theologie, die sich aus den geänderten Originaltexten der Bibel ergibt und aus einem nicht bewertenden Blick auf die Geschichte des Christentums, der sogenannte Häretiker genauso wie Kirchenväter ansieht.

In meinem Buch "Vom Tod zum Leben - Ein Buch für das Leben und den Tod aller Wesen" (derzeit in Arbeit) setze ich diese Entfaltung weiter fort, indem ich wesentliche Momente des irdischen Lebens, des Sterbens und des Lebens nach dem irdischen Tod zur Sprache bringe. Während ich dieses Buch schreibe, kommt immer mehr zum Tragen, dass ich meine Arbeit "experimentelle Theologie" genannt habe. Dieser Ausdruck hat in meinem Sinn nichts mit Bibliodrama zu tun, sondern hat folgende Bedeutung: Was ich schreibe, ist nicht ausgedacht, es ist auch nicht gechannelt, sondern ich habe es am eigenen Leib erfahren. Immer mehr komme ich dazu, alles, was meinem Organismus widerfährt, in Gesundheit und Krankheit, als Phasen des Lernens, des Anschauens und der Einsicht zu nehmen.

Pierre und Marie Curie haben zusammen das Radium entdeckt. Als man die Wirkung der Strahlung zu beobachten begann, machte Pierre Curie einen Selbstversuch: "Mit einem Pflaster klebte er sich ein Radiumpräparat für zehn Stunden an den Unterarm. Es entstand eine üble Entzündung, die zwei Monate zum Abheilen brauchte. Eine graue Narbe blieb zurück." (Aus: Wikipedia.)

Mein Leben ist keine Serie von Selbstversuchen, doch die Haltung des Experiments durchzieht mein Leben. Nicht ich experimentiere mit dem Leben, sondern das Leben experimentiert mit mir, und ich lasse das zu.

Unter einem Paradigma versteht man im einfachsten Fall ein Denkmuster oder einen Gesamtzusammenhang von Denkmustern auf einem bestimmten Wissensgebiet oder auf dem Gebiet des alltäglichen Lebens einer Bevölkerung. Bei einem Paradigma handelt es sich also wie bei der Kategorie um ein Einordnungskriterium. Während aber die Kategorie mehr zur Ordnung im Raum verwendet wird, dient das Paradigma mehr zum Ordnen in Zeit und Geschichte.

Solche Kriterien werden auch als Beurteilungskriterien und Übertragungskriterien verwendet. Die Verwendung als Beurteilungskriterium bedeutet, dass man zum Beispiel einen Text, den man liest, danach beurteilt, ob er in eine bestimmte Kategorie passt oder dem Denken nach einem bestimmten Paradigma entspricht. Die Verwendung als Übertragungskriterium bedeutet, dass man zum Beispiel einen Text, den man liest - ohne es zu merken -  Wort für Wort in seinen eigenen Verstehenshorizont überträgt.

Ich kann nicht verhindern, dass das alles auch mit meinen Büchern geschieht. Und doch sehne ich mich danach, dass wir alle immer besser lernen, die Ereignisse, die wir erleben, und die Menschen, denen wir begegnen, nicht in die Maschinerie des Schon-Erlebten einzuspannen, sondern vorurteilsfrei zu erfahren. Kategorien sind Schubladen. Niemand will in eine Schublade gezwängt werden. Paradigmen sind Abläufe auf Schienen. Niemand will dazu gezwungen werden, immer auf Schienen zu laufen.

Müssen wir immer in Kategorien und Paradigmen denken, fühlen und handeln? Ich sehne mich danach, dass wir immer mehr den Wert des Augenblicks entdecken. So gesehen ist für mich die Zeit der Kategorien und Paradigmen vorbei.

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76. Die Bezogenheit auf den Kosmos  -  27. Mai 2010

In dem Baustein 40. Hingabe als Grundprinzip des Lebens habe ich das ganze Gebet von Bruder Klaus wiedergegeben. Es endet mit den Worten:

Mein Herr und mein Gott, nimm mich mir und gib mich ganz zu eigen dir.

Dieses Gebet begleitet mich Tag für Tag und Nacht für Nacht. In letzter Zeit habe ich mich immer wieder gefragt: Ist das Gebet so, wie es ist, nicht zu ich-bezogen? Trägt es nicht die Gefahr in sich, dass "mein Gott und ich" eine wundersame Einheit in der Zweiheit werden, die nichts anderes mehr nötig hat? Diese Gefahr ist bei mir nicht gegeben, und doch hat mir bei dem Gebet etwas gefehlt: die Bezogenheit auf den Kosmos und auf alle Wesen. Daher spreche ich den Schluss des Gebets jetzt so:

Mein Herr und mein Gott, nimm mich mir und gib mich ganz zu eigen dir und deiner Schöpfung.

So fällt es mir auch leichter, das Elend im engeren und im weiteren Umkreis nicht aus den Augen zu verlieren.

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75. Heilige Schriften und anderes Heilige  -  4. Mai 2010

Heilige Schriften gibt es in vielen Religionen. Die englischsprachige Wikipedia zählt achtunddreißig Religionen auf, die über heilige Schriften verfügen oder verfügten.

"Bisweilen, vor allem in der Mystik, wuchs eine religiöse Richtung, die nur die innere subjektive Offenbarung anerkennt, über die heiligen Schriften ihrer überlieferten Religion hinaus: So lehnt etwa der Zen-Buddhismus jede heilige Schrift ab und gründet sich allein auf die eigene religiöse Erfahrung." (Aus: Brockhaus-Enzyklopädie.)

Der buddhistische Patriarch Bodhidharma, der von Indien nach China kam und dort zu einem der Väter des Ch'an ( = Zen) wurde, wurde vom Kaiser Wu-Di gefragt: "Was ist der höchste Sinn der heiligen Wahrheit?" Bodhidharma entgegnete: "Offene Weite - nichts von heilig". Dazu eine Erklärung: "Nichts von heilig heißt auch: nichts von unheilig. Nichts von unheilig heißt auch: nichts, von dem wir uns abwenden müssten." (Aus einem vom Haus Lueginsland veröffentlichten Artikel.)

Shankara, auch Shankarāchārya, war ein indischer Mystiker und Reformator, ein Erneuerer des Hinduismus, ein Hauptvertreter des Advaita-Vedānta. Kurz vor seinem Tod bat ihn der König Sudhanva, ihm die Essenz aller vedischen Lehren vor Augen zu führen. Daraufhin sang er die Dasha Shloki, zehn von ihm komponierte Verse. Der siebente dieser zehn Verse lautet: "Es gibt weder Lehrer noch heilige Schrift, weder Schüler noch Lehre, weder dich noch mich noch dieses empirische Universum; denn das Lehren der eigenen wahren Natur erlaubt keine Differenzierung. Deshalb bin ich das Eine, glückverheißend und rein, das alleine übrig bleibt." (Aus: "Advaita Vedanta - Erwachen zur Wirklichkeit" von Andreas Binder.)

Eckhart von Hochheim, der mittelalterliche Meister des geistlichen Lebens, sagte: "Dass wir Gott nicht finden, das kommt daher: Wir suchen ihn mit Gleichnissen, während er doch kein Gleichnis hat. Alles, was die heilige Schrift beibringen kann, ist mehr ihm ungleich als ihm gleich." (Aus den Traktaten Meister Eckharts, gefunden bei Zeno.org.)

Es gibt das geflügelte Wort "Das ist mir heilig", zum Beispiel der Mittagsschlaf. In einer Ausstellung auf dem Katholikentag 1986 in Aachen war zu sehen, was jungen Menschen heilig ist: eine besondere Muschel von einem Spaziergang am Strand bei untergehender Sonne, ein Stein von einer Bergwanderung in den Alpen, eine Postkarte aus Taizé, und so weiter. Eine sehr schöne Formulierung habe ich in einem Weblog gefunden: "Die Liebe ist mir heilig; Liebe schenken zu dürfen und zu können und das Glück zu haben, Liebe empfangen zu dürfen und zu können, das ist mir heilig."

In meinen Büchern habe ich Bibeltexte und Gebete transformierend bearbeitet und so zu etwas gemacht, von dem ich mit ganzem Herzen sagen kann: Das ist mir heilig.

Eine allgemeine Lebensregel könnte sein: Was anderen Menschen heilig ist, das ist auch mir heilig. Ich spüre ganz stark, dass diese Lebensregel für mich stimmt, dass sie geeignet ist, Menschen zu befreien, dass sie dazu führt, Brücken zwischen Menschen zu bauen.

Und so sage ich zum Schluss: Die heiligen Schriften anderer Menschen sind auch mir heilig.

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74. Die Ökumene bin ich  -  3. Mai 2010

Zur Ökumene gehört das gemeinsame Herrenmahl. Das ist keine Frage. Alles andere sind Ausreden und Handeln gegen den Willen Jesu. Besonders im Rahmen der römisch-katholischen Kirche betet man um Einheit. Mit den Händen bittet man darum, dass die Türe aufgeht, aber man stellt einen Fuß davor, sodass sie nicht aufgehen kann.

In dieser Situation kann ich nur sagen: "Die Ökumene bin ich." Ich bin die Ökumene, wenn ich einmal im Monat als römisch-katholisches Kirchenmitglied am evangelischen Gottesdienst mit Abendmahl teilnehme. Ich bin die Ökumene, wenn ich dabei spüre, dass es keine Grenzen zwischen denen gibt, die mit Jesus verbunden sind, außer sie schaffen die Grenzen in ihren Köpfen.

In meinem Kopf gibt es keine Grenzen zwischen den Menschen. Daher ist auch einer meiner Wahlsprüche: "Meine Kirchgemeinde ist die Menschheit und mein Gotteshaus ist die Erde."

Diejenigen, die im Namen Jesu gemeinsam das Herrenmahl feiern, werden in ihrem Verlangen bestärkt, von Herz zu Herz eine Beziehung zu Jesus zu entfalten und sich für die ganze Menschheit hinzugeben, in seiner Nachfolge, so wie er es getan hat. Sie können es als Geschenk empfangen, dass sich die Grenzen in ihrem Kopf auflösen.

Die Gemeinschaft Jesu braucht viele Partisanen, bei denen die Grenzen im Kopf wegfallen und die die volle Einheit in der Vielfalt leben in gegenseitiger Gastfreundschaft beim Herrenmahl.

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73. Peanuts  -  26. April 2010

Wenn mich in letzter Zeit etwas bekümmert, fällt mir schlagartig der Satz ein: "Das sind doch Peanuts". Es handelt sich um die kleinen Bekümmernisse des Alltags: Irgendetwas geht nicht so, wie ich will, oder von irgendjemand fühle ich mich gekränkt, was ich mir sowieso nicht anmerken lasse.

In solchen Fällen bringt mir der Satz "Das sind doch Peanuts" große Erleichterung.

Es gibt noch anderes. Zwei Monate lang war ich - bis vor wenigen Tagen - mehr krank als gesund. Das kannte ich von früher nicht. Es nagte an mir mit den Worten: Ich will doch demnächst anfangen, ein ganz besonderes Buch zu schreiben. Wie soll denn das gehen, wenn ich mich so fühle? Wird das überhaupt noch möglich sein?

In der Zwischenzeit hat sich herausgestellt: Um dieses Buch schreiben zu können, war die Erfahrung von Krankheit unbedingt erforderlich. Alles, was uns widerfährt, kann als Aufgabe gesehen werden, damit wir wachsen und reifen.

Ist das nicht großartig?

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72. Anders beten  -  26. April 2010

In letzter Zeit beginne ich, anders zu beten. Es geht über das bewusste und aufmerksame Sprechen der Worte hinaus. Es ist mit ganzem Einsatz, aber ohne Gewalt. Zum Beispiel beim Gebet von Bruder Klaus, das ich Tag und Nacht öfter wiederhole:

Wenn ich nun bete "Mein Herr und mein Gott, nimm alles von mir, was mich hindert zu dir", so ergreift mich das Wort "alles" ganz. Es ist nicht mehr gemeint "Nimm jetzt ein bisschen und dann ein bisschen, irgendwann wird es schon alles sein", sondern real gegenwärtig ist "Nimm jetzt und hier alles".

Wenn ich nun bete "Mein Herr und mein Gott, gib alles mir, was mich fördert zu dir", so ergreift mich das Wort "alles" ganz. Es ist nicht mehr gemeint "Gib jetzt ein bisschen und dann ein bisschen, irgendwann wird es schon alles sein", sondern real gegenwärtig ist "Gib jetzt und hier alles".

Und wenn ich nun bete "Mein Herr und mein Gott, nimm mich mir und gib mich ganz zu eigen dir", so bin ich total ergriffen davon, dass ich mir "ganz" genommen werde und dass ich meinem Herrn und Gott "ganz" gegeben werde, nicht im Laufe der Zeit, sondern jetzt und hier.

Als zweites Beispiel nehme ich das Gebet meiner Weihe, das ich jeden Tag mindestens einmal spreche:

Wenn ich nun bete „Jesus, deinem Herzen bin ich geweiht, jetzt und alle Tage meines Lebens und über den Tod hinaus", so ist totale Aktualität und Verbindlichkeit gegeben, in einem allumfassenden Jetzt.

Ebenso ist es, wenn ich nun bete „Maria, deinem Herzen bin ich geweiht, jetzt und alle Tage meines Lebens und über den Tod hinaus".

Und ganz genauso ist es, wenn ich nun bete „Gerhild, deinem Herzen bin ich geweiht, jetzt und alle Tage meines Lebens und über den Tod hinaus“.

So entsteht etwas, das nie und nimmer zugrunde gehen kann.

Gerhild, meine Frau, und ich haben bei der Eheschließung versprochen, einander zu lieben und zu achten, bis der Tod uns scheidet. Unsere Gemeinschaft und gemeinsame Aufgabe geht jedoch mit Sicherheit über den Tod hinaus. Daher haben wir diesen Satz des Trauungsrituals außer Kraft gesetzt. Jedem liebenden Paar ist das möglich.

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71. Menschen anders sehen  -  26. April 2010

In letzter Zeit beginne ich, Menschen anders zu sehen. Wenn ich jemand ansehe, so ist seine / ihre Begrenzung etwas nach außen verrückt. Das ergibt aber nicht einfach einen zusätzlichen Rand bei sonst gleichbleibender Sicht, sondern der ganze Mensch erhält in meinen Augen eine neue Dimension. Auf diese Weise sagen Menschen zu mir: "Ich bin völlig und ganz dieser irdische Mensch, zugleich bin ich aber auch etwas, das darüber hinausgeht. Meine eigentliche Wirklichkeit ist größer und umfassender als der äußere Anschein."

Das macht mich andächtig und lässt mich staunen. Und es erinnert mich daran, dass auch ich ein solcher Mensch bin.

Dieses andere Sehen, das ich gerade beschrieben habe, geschieht für mich beim Sehen mit den physischen Augen, aber es ist kein Sehen mit den physischen Augen. Es geschieht außerdem nicht jedes Mal. Es wird mir geschenkt. Um so sehen zu können, muss ich den Blick zurücknehmen; ich darf nicht glotzen. Beim Glotzen strahlt man ja etwas aus; wie soll da etwas hereinkommen?

Menschen in dieser Art anders, mit mehr Verständnis und Liebe zu sehen ist ein Geschehen "außerhalb" der üblichen Vorstellungen von Raum, Zeit und Ewigkeit.

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70. Einander erkennen  -  18. April 2010

Gerhild, meine Frau, und ich waren sieben Jahre getrennt. Nun sind wir bereits wieder fast sieben Jahre beisammen. Im November 2003 hat mir mein Daimonion zu verstehen gegeben, durch einen klaren Impuls und durch Worte, die in mir aufgetaucht sind, dass es nun möglich und sogar notwendig ist, wieder zusammen zu leben. Gerhild hat gespürt, dass es ernst gemeint ist, und hat sofort ja gesagt.

Es war zu spüren, dass es gut gehen würde. Aber es war nicht klar, wozu es führen würde. Es hat dazu geführt, dass uns die Augen aufgegangen sind und dass wir einander erkannt haben. Gerhild ist für mich in einer früher unvorstellbaren Weise liebenswert geworden, einfach dadurch, dass ich gelernt habe, in Ruhe auf das zu schauen, was sie wirklich ist und wie sie wirklich ist. Ihre ganze Tiefe zu erfahren und ihre aus dieser Tiefe kommenden Gedanken, Worte und Handlungen - das ist für mich mittlerweile das Schönste geworden, was die Erde mir bietet. Und es ist uns auch ein Verstehen ohne Worte geschenkt worden.

Heißt es etwa deswegen in der Bibel über Adam und Eva: "Adam erkannte seine Frau Eva, und sie ward schwanger" (1 Mose 4,1) und über Josef und Maria: "Er nahm seine Frau an, und nicht erkannte er sie, bis dass sie gebar einen Sohn" (Mt 1,24-25), weil zu der größtmöglichen Vereinigung zwischen Mann und Frau das gegenseitige Erkennen gehört?

Gerhild geht weit über das hinaus, was ich je erkennen kann. So bleibt sie immer faszinierend.

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69. Erleichterung und Schande  -  30. März 2010

Was hat uns Siddhārtha (der historische Buddha) gebracht?
Die Weisheit der Meister.
Welche Herausforderung!

Was hat uns Jesus gebracht?
Die Freiheit der Kinder Gottes.
Welche Erleichterung!

Christliche Amtsträger - allen voran Paulus - haben diese Freiheit verdunkelt.
Welche Schande!

Anmerkung vom 8. Januar 2013:

Zum Meister-Schüler-Syndrom:

„Wenn du daran interessiert bist, dich allen möglichen Erfahrungen und dem ganzen Leben zu öffnen, dann musst du aus der Meister-Schüler-Beziehung heraustreten.“ (Aus: „Kein Schüler, kein Meister“, Colette Grünbaum-Flury, Spuren 65/2002.)

„Es wäre hilfreicher, den Buddhismus von unabhängigen Buddhismusforschern lehren zu lassen, denn die sogenannten ‚Meister’ werden zu ‚Meistern’ ernannt.“ (Aus: „Leben und Meditieren - ohne Meister“, Autorin bekannt / 08.08.2008, Vikas-Infothek.)

Das bezieht sich auf alle spirituellen Richtungen, nicht nur auf die buddhistischen.

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68. Wie ein Mantra  -  10. März 2010

Nach der Brockhaus-Enzyklopädie ist ein Mantra im Buddhismus, Jainismus und Hinduismus eine heilige Formel, die nach strengen Regeln rezitiert wird.

Nach dem Lexikon der östlichen Weisheitslehren ist ein Mantra im Buddhismus "eine kraftgeladene Silbe oder Folge von Silben, die bestimmten kosmischen Kräften und Aspekten der Buddhas Ausdruck gibt." Die ständige Wiederholung von Mantras ist im Buddhismus eine Form der Meditation. Bei laut ausgesprochenen Mantras spielt auch der Klang eine wesentliche Rolle.

Das Ur-Mantra ist OM oder AUM und wird A-O-U-M gesungen. Es ist sowohl ein Symbol der (geschriebenen) Form als auch des (gesungenen) Klanges. Wenn man es richtig singt, kommen die Obertöne mit.

Die Sanskrit-Formel OM MANI PADME HUM (wörtlich: "OM, Juwel im Lotos, HUM") ist nach dem Lexikon der östlichen Weisheitslehren das bedeutendste und älteste Mantra des tibetischen Buddhismus. "Die einfachste Erklärung des von sogenannten Keimsilben eingeschlossenen Wortpaares 'Juwel im Lotos' ist die Gleichsetzung des Juwels mit dem Erleuchtungsgeist (Bodhichitta), der im Lotos des menschlichen Bewusstseins erzeugt werden soll."

Nach dem Tibetischen Buch vom Leben und vom Sterben ist OM MANI PADME HUM das Mantra des Mitgefühls. "Es verkörpert das Mitgefühl und den Segen aller Buddhas und Bodhisattvas, ruft aber speziell den Segen von Avalokiteshvara, dem Buddha des Mitgefühls, an."

Nie werde ich vergessen, wie wir zu der Zeit, als ich mit den österreichischen Buddhisten befreundet war, im Buddhistischen Meditationszentrum Scheibbs unter Anleitung eines Mönchs dieses Mantra gesungen haben, und welcher Friede und welche Ruhe sich ausbreitete, als wir später, im Schatten großer Bäume auf der Wiese vorm Haus sitzend, seinen Ausführungen lauschten.

Wie ein Mantra wird auch die folgende Grundaussage des Islam rezitiert:

Allāhu akbar             Gott ist unvergleichlich groß
Lā ilāha illā llāh         Es gibt keinen Gott außer Gott

Nichts gleicht dem transzendenten, unerkennbaren Gott.

Wie ein Mantra werden auch die Gesänge in Taizé wiederholt, zum Beispiel:

Bleibet hier und wachet mit mir. Wachet und betet, wachet und betet.

Wie ein Mantra ist auch das Jesusgebet (oder Herzensgebet) der Ostkirche. Seine Ursprünge reichen bis in die Tradition der Mönche und Wüstenväter des 4. Jahrhunderts zurück. Bei uns ist es auch durch das Buch "Aufrichtige Erzählungen eines russischen Pilgers" bekannt geworden. Es besteht in der Wiederholung des folgenden Satzes:

Jesus Christus, erbarme dich meiner.
Oder:
Jesus Christus, Sohn Gottes, erbarme dich meiner.

Wie ein Mantra verwende ich seit geraumer Weile bei Tag und in der Nacht den Schluss des Gebetes von Bruder Klaus:

Mein Herr und mein Gott, nimm mich mir und gib mich ganz zu eigen dir.

Was dieser Satz mit mir macht, habe ich an zwei verschiedenen Tagen verschieden ausgedrückt:

1.  Dieser Satz ist so unfassbar. Er kann niemals ausgeschöpft werden. Man kann sich in diesen Satz nur dann immer weiter hineinbegeben, wenn man keine Gewalt anwendet. Er erzeugt eine Bewegung ohne Ende, in vollständiger Ruhe. Er ist meine Entsprechung eines Mantras, für immer. 

2.  Diesen Satz zu beten ist für mich jedes Mal so etwas wie Tod und Neugeburt. Es ist Schöpfen aus dem Brunnen der Vergänglichkeit, solange bis er leer ist.

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67. Parallelwelten  -  7. März 2010

In einem Song-Text der Lassie Singers lautet der Refrain: "Jeder ist in seiner eigenen Welt, aber meine ist die Richtige."

Dieser Satz hat mich immer begeistert. Auf die Spitze getrieben bedeutet er: Es gibt unendlich viele Parallelwelten, voneinander unterschieden jeweils durch ein geringfügiges Weiterrücken des Blickwinkels. Alle diese Parallelwelten, die Welten aller Menschen, aller Hunde, aller Katzen, aller Bienen, aller Ameisen, aller Seerosen, aller Flusskiesel usw. bilden zusammen die eine Welt, die unvorstellbar schön und reich und multidimensional ist.

So wie man mit einer Rot-Grün-Brille oder mit der Schielmethode aus zwei nebeneinander liegenden flachen Bildern ein dreidimensionales Bild erzeugen kann, kann jemand, der multidimensional schauen kann und keines der parallelen Bilder bevorzugt, eine unglaublich reiche und bereichernde Welt schauen, mit großer Erleichterung. Es genügt nicht, wenn man die Parallelwelten nacheinander anschaut. Man muss sie simultan erfassen.

In dieser Hinsicht bin ich immer am Üben, wie ich es auch in meinem Baustein 41. Liebe und Multidimensionalität beschrieben habe. Mein Startkapital war die entsprechende Übung im Wizard-Kurs nach Harry Palmer. Aber nun ist es nicht mehr seine Übung, es ist längst meine geworden.

Wie die Lassie Singers sagen: "Jeder ist in seiner eigenen Welt, aber meine ist die Richtige."

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66. Das Leben als Experiment  -  2. März 2010

"Für den großen indischen Priester und Naturforscher Raimon Panikkar 'experimentiert der Wissenschaftler mit seinen Ideen, der Mönch aber mit seinem Leben'." (Aus: Heinz Nußbaumer, "Der Mönch in mir - Erfahrungen eines Athos-Pilgers für unser Leben", S. 78.)

Ein Mönch zu sein - das ist auch eine Idee, bis man dazu kommt, sie fallen zu lassen, einfach nichts zu sein und im selben Atemzug alles zu sein.

Ich bin kein Mönch, sondern habe stets "in der Welt" gelebt, wie man es ausdrückt, wenn man Unterscheidungen machen will. Und doch habe ich immer mit meinem Leben experimentiert, im Jahr 1969, als ich meine heftigen Ressentiments gegen die Eltern durchschaute und zum ersten Mal das Experiment machte, ihnen zu verzeihen, im Jahr 1971, als ich den Sri Aurobindo Ashram in Pondicherry (heutiger Name Puducherry) und die nach der Vision eines Spiralnebels geplante Siedlung Auroville besuchte, und später immer mehr.

Leben ist Lernen, mit jedem Atemzug. Ich habe mich selbst als Einsatz gegeben und habe immer mehr lieben gelernt. Und so geht es weiter, ohne Ende, auch nach dem letzten Atemzug.

Es war nicht ungefährlich. Ich hätte auch hassen oder verzweifeln lernen können. Aber ich habe einen unsichtbaren Schutzengel. Und einen sichtbaren: Gerhild, meine Frau. Sie konnte lang vor mir lieben. Sie hat lang vor mir gewusst, was Hingabe wirklich heißt.

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65. Die kosmische Weihe  -  27. Februar 2010

In diesen Bausteinen habe ich schon mehrmals über meine Weihe berichtet. Nun habe ich mich mit der Religiosität der Indianer auseinandergesetzt, vor allem anhand des Buches "Hüter der Erde - Begegnungen mit Indianern Nordamerikas" von Harvey Arden und Steve Wall. Diese Auseinandersetzung hat etwas mit mir gemacht. Auf einmal spüre ich meine universale Bezogenheit. Ich drücke das jetzt in meinen Worten aus: Ich bin dem Herzen Jesu geweiht, dem Herzen Marias, seiner Mutter, dem Herzen Gerhilds, meiner Frau, und dem Herzen eines jeden Wesens, dem ich je begegnet bin und das ich je treffen werde, jetzt und alle Tage meines Lebens und über meinen Tod hinaus. Ich bin dem Herzen des Alls geweiht, dem innersten Herzen, durch dessen Pulsieren alles am Leben erhalten wird, von dem ich ausgehe und zu dem ich zurückkehre, in jedem Jetzt.

Schon zweimal habe ich von guten Freunden und engagierten Christen entsetzte Reaktionen auf meinen Lebensentwurf gehört, der in solche Gebiete vordringt und immer weitergeht. In der Weisheit der Indianer, die ich auf meine Weise abgewandelt habe, sehe ich die natürliche Bestimmung aller Wesen und erst recht aller Menschen. Was euch erschreckt, sind falsche Annahmen über eure persönliche Verpflichtung. Ich habe mich selbst verpflichtet, es wurde mir von niemandem aufgezwungen. Jeder Mensch geht seinen eigenen Weg.

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64. Des Sokrates und mein Daimonion  -  25. Februar 2010

Sokrates liebe ich seit der Zeit, in der ich meine ersten Philosophievorlesungen an der Universität gehört habe. Ich liebe seinen unvoreingenommenen und freien Blick auf die Dinge. Ich liebe seine Maieutik, seine Hebammenkunst, mit der er bei anderen Menschen Erkenntnis wecken konnte. Und ich liebe besonders sein Daimonion, seine innere Stimme von göttlichem Ursprung, der er bedingungslos gehorchte, auch dann, als sie ihn nicht davon abhielt, die ungerechtfertigte Verurteilung und den Tod zu erleiden.

Bei Platon in der Apologie, der Verteidigungsrede des Sokrates vor Gericht, erzählt Sokrates von dieser inneren Stimme: "Mir ist dieses von meiner Kindheit an geschehen, eine Stimme nämlich, welche jedes Mal, wenn sie sich hören lässt, mir von etwas abredet, was ich tun will, zugeredet aber hat sie mir nie."

Auch in mir lebt ein Daimonion. Mein Daimonion ist aber nicht nur hemmend wie das des Sokrates. Einmal hemmt es mich, etwas zu tun, ein anderes Mal aber inspiriert es mich und treibt mich an, etwas zu tun. Wie für Sokrates ist auch für mich das Daimonion die entscheidende Instanz. Ich habe ihm immer gehorcht.

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63. Gegen den Wind segeln  -  24. Februar 2010

Gerhild, meine Frau, hat gestern beim Mittagessen gesagt: "Ich glaube, dass Religionen, die Angst machen oder die Druck und Zwang anwenden, zugrunde gehen werden."

Das trifft in hohem Maß auf das Christentum zu, auch und gerade in der Spielart der römisch-katholischen Kirche.

Wie sagt die zwölfte weise Frau im Märchen vom Dornröschen? "Es soll aber kein Tod sein, sondern ein hundertjähriger tiefer Schlaf, in welchen die Königstochter fällt." So bin ich mir vorgekommen, als ich meiner Frau antwortete: "Es muss nicht die Religion als Ganzes sterben, sondern nur der Angst machende Teil."

Das ist es, was ich fördere. In meinen Büchern propagiere ich ein Christentum, das nicht Angst macht und verdammt. Da meiner Meinung nach die Angstmacherei und Verdammung in der Bibel selbst beginnt, da auch die Evangelien genug Drohbotschaften enthalten und nicht nur die Frohbotschaft, erarbeite ich Teile der Bibel neu, mit teilweise radikalen Änderungen.

Gestern Abend erzählte mir ein befreundeter Theologe, er werde demnächst einen Bibelabend gestalten und dabei die Apokalypse des Johannes behandeln. Er werde aus diesem Text die Frohbotschaft herausarbeiten.

Das nenne ich: Gegen den Wind segeln.

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62. Der kleine Gott  -  20. Februar 2010

"Großer Gott, wir loben dich" - das ist ein schönes und würdiges Kirchenlied. Aber: Wenn wir immer nur den großen Gott loben, wird da der kleine Gott nicht traurig sein?

Das ist ein Kōan.

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61. Die zarte und sanfte Power  -  20. Februar 2010

Einmal im Jahr klebe ich Fotos in Alben ein. Dazu verwende ich Fotokleber, kleine, selbstklebende Stückchen, die auf beiden Seiten kleben. Gerhild, meine Frau, hat mir aus der Papierhandlung neue mitgebracht, bei denen im Gegensatz zu den alten die Abziehfolie genau mit den Klebestückchen endet und kein bisschen darüber hinausragt. Tagelang war ich verhärmt, weil sich die Folie so schlecht von den Stückchen abziehen ließ. Dann auf einmal fiel mir auf: Wenn ich den Daumennagel ganz zart und sanft einsetzte, löste sich die Folie ganz leicht ab.

Seither ist mir klar geworden: Das ist das Prinzip der zarten und sanften Power. Entschlossenheit ohne Druck. Ich frage mich: Was ändert sich in meinem Leben und im Leben der anderen, wenn ich Menschen so behandle? Vor allem solche, die anderer Meinung sind als ich, die einen anderen Lebensentwurf haben?

Ich frage mich: Was ändert sich in meinem Gebet, wenn ich Gott so behandle? Die gleichen Worte, aber Hingabe ohne Druck. Das habe ich gerade probiert, und die Antwort war: Geh jetzt zum PC und schreib diesen Baustein. Das erinnert mich daran, dass Karlfried Graf Dürckheim, der Gründer der Existential-psychologischen Bildungs- und Begegnungsstätte in Todtmoos-Rütte immer gesagt hat: "Die Tür geht nach innen auf". Damit meinte er das Loslassen auf dem spirituellen Weg. Und nun denke ich mir auf einmal: Ich soll auch die Tür zum Herzen anderer Menschen nicht eindrücken, sondern zu mir her aufgehen lassen, wenn sie es wollen.

Ich sehe auf einmal ein Bild vor mir. Ein gelbes Blatt im Herbst löst sich ganz zart und sanft vom Baum und fällt zu Boden. Ich spüre es in mir, wie sich das Blatt ablöst. So wird im Idealfall mein Tod sein.

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60. Du bist Staub - aber welcher?  -  18. Februar 2010

In Jesus gibt es einen menschlichen und einen göttlichen, einen leidenden und einen siegreichen Aspekt. Der leidende Jesus ist nicht nur der Jesus am Kreuz auf Golgota, sondern auch der Jesus, der in und mit der ganzen Schöpfung leidet, solange sie noch nicht vollendet ist. Der Mensch Jesus ist auferstanden in seine eigene Vollendung hinein. Doch so wie der historische Jesus Brot und Wein genommen hat und gesagt hat: „Das ist mein Leib“ und „Das ist mein Blut“, so hat der präexistente und durch seinen Tod nicht begrenzte Jesus den ganzen Kosmos als seinen Leib und sein Blut angenommen. Jede Eucharistiefeier und jeder Gottesdienst mit Abendmahl macht uns das gegenwärtig. In dieser innigen Verbindung führt der siegreiche Jesus den Kosmos zu seiner Vollendung.

Gestern war Aschermittwoch. Als unser Pfarrer das Aschenkreuz austeilte, sagte er jedes Mal: "Bedenke, Mensch, dass du Staub bist und wieder zum Staub zurückkehren wirst".

Als ich in der Schlange nach vorne ging, sah ich in einem inneren Bild sonnendurchfluteten Staub, in feinen Partikeln, und in jedem Partikel den siegreichen, kosmischen Christus.

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59. Die Grenzen der heiligen Schrift  -  3. Februar 2010

Paulus von Tarsus äußert sich im ersten Korintherbrief über die Ehe wie folgt:

"Ein Mann tut gut, (überhaupt) keine Frau zu berühren; aber um der (Vermeidung der) Unzuchtsünden willen mag jeder (Mann) eine Ehefrau (= eine eigene Gattin) und jede (Frau) ihren Ehemann (= einen eigenen Gatten) haben." (1 Kor 7,1-2.)

"Der Unverheiratete ist um die Sache des Herrn besorgt: er möchte dem Herrn gefallen; der Verheiratete dagegen sorgt sich um die Dinge der Welt: er möchte seiner Frau gefallen; so ist er geteilten Herzens. Ebenso richtet die Frau, die keinen Mann mehr hat, und die Jungfrau ihr Sorgen auf die Sache des Herrn: sie möchten an Leib und Geist heilig sein; die verheiratete Frau dagegen sorgt sich um die Dinge der Welt: sie möchte ihrem Manne gefallen." (1 Kor 7,32-34.)

Paulus selbst lebte zölibatär. (1 Kor 7,7.) Er sah Sexualität als etwas, das in der Ehe zur Vermeidung von Unzucht gelebt wird, und die Ehe als etwas rein Weltliches.

Die Unterscheidung zwischen den Dingen der Welt und den Dingen der Heiligkeit lehne ich ab. Wir haben nur eine Welt, und in jedem Detail äußert sich das Heilige, das Scheinheilige und das Unheilige. Jesus kann alles berühren, ob es ihm nun zugewandt ist oder nicht.

Die Sexualität und die Ehe aus dem Bereich der Heiligung auszunehmen, ist die Aussage eines Mannes, dem die entsprechenden Erfahrungen fehlen. Wahre Hingabe ist immer unendlich, auch die Hingabe zwischen Mann und Frau, und es bleibt immer unendlich viel Raum für weitere Hingabe, an einen gesellschaftlichen Dienst, an ein Lebenswerk, an Gott. Mann und Frau können sehr vieles gemeinsam tragen, auch ein Pfarrer mit seiner Frau oder eine Pfarrerin mit ihrem Mann können das.

Die Sätze des Paulus über die Ehe sind irrelevant. Die heilige Schrift hat ihre Grenzen.

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58. Die amputierte Kommunion  -  1. Februar 2010

Der gemeinsame Kelch ist von Jesus selbst eingesetzt. Er forderte beim Mahl am Abend vor seinem Tod die Seinen auf: "Trinkt alle daraus!" (Mt 26,27.)

Im Mittelalter suchte man in der Westkirche die Kelchkommunion der Gläubigen mehr und mehr zu vermeiden. Statt des Kommunionweines gab man den Laien weithin sogenannten Ablutionswein, das heißt gewöhnlichen Wein zu trinken, angeblich weil man Angst hatte, etwas von dem konsekrierten Wein zu verschütten. So wurde das Trinken aus dem Abendmahlskelch im abendländischen Spätmittelalter zunehmend als Vorrecht der Priester empfunden, das sie besonders sichtbar von den Laien unterschied. Ein offizielles Kelchverbot für Laien wurde jedoch erst 1415 auf dem Konzil von Konstanz erlassen. 1420 forderten die Hussiten in vier Prager Artikeln unter anderem den Laienkelch. Die Verweigerung ihrer Forderungen führte zu den Hussitenkriegen (1419-1436). Luthers Kritik am Papsttum betraf ebenfalls unter anderem den Laienkelch. "Beim Entzug des Laienkelches stellte Luther die kritische Frage, kraft welcher Vollmacht die Kirche an der klaren, eindeutigen Einsetzung des Abendmahls durch Christus etwas ändern dürfe." (Aus: Bernhard Lohse, "Epochen der Dogmengeschichte", S. 205.)

Die theologische Lehre, dass Christus in jeder der beiden Gestalten ganz gegenwärtig sei und empfangen werde, ist demgegenüber eine Ausrede. Seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil ist die Kelchkommunion für Laien in der römisch-katholischen Kirche wieder erlaubt, wird jedoch beim normalen Sonntagsgottesdienst nicht durchgeführt. Da ich einmal im Monat zu einem evangelischen Sonntagsgottesdienst mit Abendmahl gehe, wo die Kelchkommunion eine Selbstverständlichkeit ist, wirkt auf mich der Kommunionempfang in einer römisch-katholischen Eucharistiefeier seltsam amputiert.

Noch in einem weiteren Punkt unterscheidet sich der evangelische vom römisch-katholischen Brauch. Bei einer römisch-katholischen Eucharistiefeier nimmt sich der Zelebrant als erster von Brot und Wein, dann wird ausgeteilt. Bei einem evangelischen Gottesdienst mit Abendmahl ist der Zelebrant der Letzte, der Brot und Wein bekommt, und er nimmt sie sich nicht selbst, sondern sie werden ihm gegeben. So schließt sich der Kreis der Feiernden.

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57. Der Schlaf und der Tod  -  30. Jänner 2010

Heute Nacht habe ich geträumt, dass mein Sohn Axel gestorben ist. Er wird in drei Tagen 41 Jahre alt sein. Ich wünsche mir seit längerer Zeit, dass er eine neue Erfahrung macht. Der Traum könnte ein Ausdruck dieses Wunsches sein, oder er könnte sogar ankündigen, dass diese neue Erfahrung jetzt wirklich kommt.

Erneuerung ist dringend erforderlich, eigentlich in jedem Augenblick unseres Lebens. Im dritten Kapitel des Johannesevangeliums sagt Jesus zu Nikodemus, was ich in meiner Bearbeitung wiedergebe: "Wenn du das Reich Gottes betreten willst, musst du aus Wasser und Geist geboren werden, jetzt, in deinem Alter. Das Wasser schenkt dir die Umkehr, und der Geist schenkt dir den neuen Weg. Wenn du nur von der menschlichen Mutter geboren bist, bleibst du dem Menschlichen verhaftet. Erst wenn du auch aus Gottes Geist geboren bist, bist du fähig, auf Gott zu hören. Der Wind weht, wo er will; du hörst sein Sausen, aber du weißt nicht, woher er kommt und wohin er geht. Wenn du aus dem Geist geboren bist, dann bist du wie der Wind."

Diese Sätze Jesu haben manche christlichen Kirchen und Gemeinschaften so aufgefasst, dass ein einmaliges Erlebnis der Neugeburt genügt, um den Menschen in diesem Sinn zu verwandeln, und sie glauben, dass man dadurch zu einem "wiedergeborenen Christen" wird. Das ist meiner Meinung nach falsch. Es ist vielmehr notwendig, ständig zu sterben und wiedergeboren zu werden, wenn möglich in jedem Augenblick unseres Lebens. Es ist ein langer Weg, bis man das versteht, und ein noch längerer Weg, bis man es mehr und mehr zu verwirklichen beginnt.

Der Traum von Axels Tod hat mich aber auch an den letzten Tod erinnert, der mein Leben auf der Erde beenden wird. Eigentlich muss ich keine Angst vor ihm haben. Denn jeden Abend gebe ich mich voll Vertrauen hin, hinein in die Gewissheit, dass ich einschlafen werde. Dann geschieht es, und ich weiß nicht wie, und ich habe den Zeitpunkt nicht bemerkt. Denn man schläft nicht mit bewusster Kontrolle ein, sondern mit dem Aufgeben der Kontrolle. Und genauso kann man sich mit vollem Vertrauen dem Tod hingeben. Dann geschieht es, und man weiß nicht wie, und man hat den Zeitpunkt nicht bemerkt. Denn man stirbt nicht mit bewusster Kontrolle, sondern mit dem Aufgeben der Kontrolle. Im Schlaf geht der Atem weiter, aber ohne das Wachbewusstsein. Und im Tod geht der Atem des Lebens weiter, aber ohne das irdische, gehirngesteuerte Bewusstsein. Dieses schöne Hinübergleiten betrifft vor allem den nicht gewaltsamen Tod. Bei der Aussicht auf den gewaltsamen Tod kann große Angst aufkommen. Ich habe das erlebt, als vor vielen Jahren mein Auto bei Glatteis frontal auf ein entgegenkommendes Auto zufuhr.

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56. Meine neuen Bodhisattva-Gelübde  -  26. Jänner 2010

Ich komme nun noch einmal auf die vier Bodhisattva-Gelübde zurück, die ich in meinem Baustein 3. Leben ist Bewegung wörtlich angeführt habe. Ich forme sie um und drücke dabei das aus, was sie mir heute aus der Hingabe an Gott und der Nachfolge Jesu bedeuten.

• Zahllos sind die Wesen, die Menschen, Tiere, Pflanzen, Berge, Täler und Gewässer, die Sterne und Planeten; ich gelobe, den Impuls der Rettung, der von Jesus seit seiner Präexistenz ausgeht, aufzunehmen und weiterzutragen und mitzugestalten, bis sie alle gerettet sind.

• Die Gedanken und Gefühle von Gier, Hass und Verblendung täuschen vor, dass sie unerschöpflich sind, doch sie sind stereotyp und werden nicht aus der Transzendenz Gottes genährt; ich gelobe, sie alle zu lassen. So lösen sie sich auf oder werden verwandelt.

• Ich lehne die Worte, die man Jesus in Mt 7,13-14 in den Mund gelegt hat und die besagen, dass nur wenige ins Leben und ins Reich Gottes finden, ab. In meiner Bearbeitung lautet diese Stelle so: „Wenn ihr glaubt, dass der Weg in dieses Reich für viele schwer zu finden ist, oder wenn ihr meint, dass die Türe zu diesem Reich sehr eng ist und viele nicht hindurchkommen, dann setzt euch für sie ein, indem ihr in eurem Leben das tut, was sie in ihrem Leben nicht schaffen. Durch eure Hingabe wird das Reich Gottes so kräftig werden, dass es sich auch dort öffnet, wo ihr es nicht für möglich gehalten hättet.“ Ungezählt sind die Wege ins Leben und ins Reich Gottes; ich gelobe, auf allen Wegen dabei zu sein, bis für jedes Wesen ein Weg ins Reich Gottes offen ist.

• Unvergleichlich ist der Weg der Erfahrung und des Erwachens; ich gelobe, ihn mit Jesus mutig zu gehen.

Ergänzung vom 5. Februar 2011:

Mein Weg mit den Bodhisattva-Gelübden hat einen Konzentrationspunkt im letzten Teil des Gebets von Bruder Klaus, den ich wie folgt abgeändert habe:

     Du, mein Gott,
     nimm mich mir und gib mich ganz zu eigen dir

    
und deiner Menschheit und deinem Kosmos.

Ergänzung vom 15. Dezember 2011:

Derzeit arbeite ich an einem Buch mit dem Titel "Das Ende der Paradigmen - Spurensuche für eine neue Zeit", und zwar an dem Hauptkapitel "Zeichen des Horrors", das den ersten Teil des Buches bilden wird. Die Gewissenlosigkeit, mit der die Menschheit den Frieden zwischen den Menschen ruiniert und die Erde zerstört, ist im Detail an vielen grauenhaften Beispielen erkennbar. Das macht mir zu schaffen und führt mich zu der Frage: Kann ich wirklich für alle Zeiten mit jedem Wesen mitleiden?

Meine Antwort ist: Ja, ich kann. In der Nachfolge Jesu ist ein solches Commitment möglich. Dieses englische Wort passt für mich hier am besten. Es inkludiert Bereitschaft, Zusage, Hingabe, Verpflichtung, Verbindlichkeit, Engagement und Einsatz.

Ja, ich werde liebend gerufen und ich kann, bis zu meinem Tod und darüber hinaus. Alle Ängste und Schmerzen mitzutragen, mit denen man konfrontiert wird, und die Konsequenzen für das eigene Tun zu ziehen, ist der Weg von Einzelnen, die eine kollektive Erneuerung einleiten.

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55. Ökumene und Schuld  -  24. Jänner 2010

Vor drei Tagen hat bei uns in Pressbaum in der evangelischen Kirche der ökumenische Dekanatsgottesdienst stattgefunden. Neben dem evangelischen Pfarrer und der evangelischen Lektorin waren drei römisch-katholische Priester anwesend. Ein längerer Evangelientext wurde gelesen, zum Teil von der Lektorin, und die Liedtexte waren so ausgesucht, dass immer wieder die Formulierung kam: "Wir sind eins."

Gerhild, meine Frau, und ich sprachen nachher darüber. Ich sagte: Ich freue mich, dass wir gesungen haben: Wir sind eins. Denn wir sind wirklich eins. Die Trennung ist eine Fiktion und wird künstlich aufrechterhalten.

Gerhild antwortete: Ich bin wütend und enttäuscht. Warum hat es kein Abendmahl gegeben? Es hätte doch so sein können wie in Taizé, wo evangelische und katholische Hostien nebeneinander ausgeteilt werden. Was da über Einheit gesagt worden ist, ist nur Gerede. Das ist genauso, wie wenn ich immer über Kochrezepte reden würde, und ich würde nie kochen.

Heute haben wir am Schluss der römisch-katholischen Eucharistiefeier das Gebet 28/3 für die Einheit der Kirche aus dem Gotteslob gebetet. Man beachte: Es geht in dem Gebet um die Einheit der Kirche, nicht etwa um die Einheit der Christen. In dem Gebet kommt folgender Satz vor: "Zerbrich die Mauern, die uns trennen."

In dem Moment, wo wir diesen Satz gesprochen haben, kam mir ganz stark ein Bild, nämlich das Bild einer der acht Meter hohen Mauern, die die Israelis gegen die Palästinenser bauen. Und dazu kamen mir die Sätze: So wie die Israelis die Mauern gegen die Palästinenser bauen, so bauen die Hierarchen der römisch-katholischen Kirche die Mauern gegen die anderen christlichen Kirchen. Die Hierarchen müssen ihre Schuld bekennen und diese Mauern niederreißen.

Alles andere ist Heuchelei.

Gerhild sagt dazu: Es ist billig, nur den Hierarchen die Schuld zuzuschieben. Der Widerstand von unten müsste viel stärker werden. Jede Revolution beginnt von unten.

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54. Was bedeutet die Wiedergeburt?  -  18. Jänner 2010

Da für Gott jedes Detail unendlichen Wert hat, ist für mich die Vorstellung einer Wiedergeburt schwer nachvollziehbar. In den von mir entwickelten Lebensmodellen habe ich sie auch nicht dargestellt, da meine Modelle ohne den Begriff "Seele" auskommen.

Wenn ein Wesen wiedergeboren wird, so muss etwas von ihm weitergegeben werden, das die Erfahrungen eines vergangenen Lebens auf der Erde bewahrt hat. Für den Buddhismus bedingen die Taten eines Menschen und das sich aus ihnen ergebende Karma eine neue Geburt, ohne dass etwas von der einen Person in die andere übergeht. Das Gefühl, eine Person oder ein Ich zu sein, wird als Illusion betrachtet. Für den Hinduismus ist der Ātman "das wirkliche, unsterbliche Selbst des Menschen, das der Westen als Seele bezeichnet." (Aus dem Lexikon der östlichen Weisheitslehren.) Der Ātman wird als neues, individuelles Wesen wiedergeboren. In der Gnosis, im Manichäismus und in unterdrückten christlichen Strömungen wurde die Seelenwanderung gelehrt.

Einige Bemerkungen zur Etymologie des Wortes "Seele":

"In der hebräischen Bibel, dem Tanach, stellen 'Seele' und Körper Aspekte des als Einheit aufgefassten Menschen dar. Die den Körper belebende Kraft (religionswissenschaftlich: Körperseele, Vitalseele) heißt im biblischen Hebräisch nefesch (נפש), neschama oder auch ru'ach. Alle drei Begriffe bezeichnen ursprünglich den Atem." (Wikipedia.)

"Das altgriechische Substantiv psychē (ψυχή) hängt mit dem Verb psychein ('blasen', 'atmen') zusammen; es bedeutete ursprünglich 'Hauch', 'Atem' und daher auch 'Leben'." (Wikipedia.)

Wie ich in meinem Baustein 3. Leben ist Bewegung ausgeführt habe, habe ich die vier Bodhisattva-Gelübde abgelegt, die in mir ganz lebendig sind. Das erste Gelübde lautet: "Zahllos sind die Lebewesen; ich gelobe, sie alle zu retten."

Es wäre oberflächlich zu sagen: "Jesus ist der Heiland der Welt. Er hat alle gerettet." Ich sehe das anders. Jesus hat eine unwiderstehliche Bewegung der Rettung in die Welt gebracht. Ich will Jesus vollständig nachfolgen und ich kann daher nicht anders als diese Bewegung der Rettung aufzunehmen und in seinem Namen zur Rettung aller alles beizutragen, was von mir nur kommen kann, über meinen Tod hinaus.

Nach meinem Tod wird es meine Aufgabe sein, an meiner Integration mitzuwirken, es zuzulassen, dass mein Christusleib der Reihe nach alle Elemente meiner anderen Schichten, des physischen Leibes, des Empfindungsleibes, des Gefühlsleibes und des Gedankenleibes aufnimmt, wie ich es in meinem Buch "Jesus für alle" im Kapitel "Jesus heute" beschrieben habe.

Wenn ich das nicht schaffe, darf ich mir helfen lassen. Und wenn ich es nicht schaffe, die Hilfe anzunehmen, haben wir dann einen unvollendeten Komplex, der ein neues Wesen auf der Erde generiert? Dabei ist nicht zu vergessen, dass Begriffe wie "Person" und "Ich" hier keine Erklärung liefern. Es würde ja eine neue Person mit einem neuen Ich-Bewusstsein entstehen.

Wie dem auch sei, was auch immer geschieht, meine Hingabe ist vollständig und ich wiederhole: "Zahllos sind die Lebewesen [nicht etwa nur die Menschen]; ich gelobe, sie alle zu retten."

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53. Was bedeutet die Taufe?  -  18. Jänner 2010

Jesus ließ sich im Jordan von Johannes taufen. (Mt 3,13; Mk 1,9; Lk 3,21.)

Johannes sagte über ihn sinngemäß: "Ich taufe euch mit dem Wasser der Reinigung und der Umkehr. Nach mir kommt einer, der wird euch mit dem Geist Gottes und dem Feuer der Liebe taufen." (Nach Mt 3,11; Mk 1,8; Lk 3,16.)

Die Kreuzigung Jesu und jegliches Leiden und Sterben in seiner Nachfolge wird im übertragenen Sinn als eine Taufe bezeichnet. (Lk 12,50; Mk 10,38-39.)

Die Jünger des Johannes berichteten ihm: "Rabbi, der Mann, der jenseits des Jordans bei dir war und für den du mit deinem Zeugnis eingetreten bist, denke nur: der tauft (jetzt auch), und alle laufen ihm zu." (Joh 3,26.)

Diese Stelle wird im Skriptum "Dogmatik" der theologischen Kurse der Erzdiözese Wien bei der Erklärung des Sakraments der Taufe mit keinem Wort erwähnt. Im Kommentar des Stuttgarter Neuen Testaments wird sie so erklärt, wie ich es in meiner Bearbeitung der Stelle ausgedrückt habe: "Nach dem Pessachfest hielt sich Jesus mit seinen Jüngern in Judäa auf. Den Jüngern, die von Johannes zu ihm gekommen waren, erlaubte er, die Menschen zu taufen."

Als der Auferstandene den Jüngerinnen und Jüngern in Galiläa erschien, sagte er über die Taufe in meiner Bearbeitung: "Und die euch darum bitten, die tauft auf den Namen des Vaters und auf den Namen des Menschensohns und Messias’, den er gesandt hat, und auf den Namen des Geistes, der von ihm ausgeht." (Nach Mt 28,19.)

Die Taufe ist ein Untertauchen, Sterben und Neugeborenwerden, wie es Jesus dem Nikodemus zumutet. In meiner Bearbeitung lautet das so: "Ich sage dir eines: Wenn du das Reich Gottes betreten willst, musst du aus Wasser und Geist geboren werden, jetzt, in deinem Alter. Das Wasser schenkt dir die Umkehr, und der Geist schenkt dir den neuen Weg." (Nach Joh 3,5.)

Wie schön, wenn dieser grundsätzliche Vorgang einem Menschen geschenkt wird! Noch schöner, wenn ein Mensch dabei fähig wird, sich bewusst auf Jesus zu beziehen! Es handelt sich dabei nicht um ein einmaliges, kurzes Ereignis, sondern um einen Vorgang, der den Menschen langsam ergreift und verwandelt. Ich frage mich: Wie viele Menschen haben in den letzten zweitausend Jahren diesem Vorgang radikal Raum gegeben, sodass er bis in die Tiefe hinein in ihnen wirken konnte?

Eine Zeremonie wie die Erwachsenentaufe oder die Tauf- und Firmerneuerung der ökumenischen charismatischen Bewegung kann ein Meilenstein auf diesem Weg sein, sofern nicht das Nachplappern dogmatischer Formulierungen verlangt wird. Eine solche Zeremonie kann aber auch Illusionen fördern, z.B. wenn die in Einzelfällen lebendige und echte Gabe der Zungenrede zu einem allgemeinen Kriterium für die Anwesenheit des heiligen Geistes gemacht wird. (Siehe Apg 10,44-48.)

Die evangelische Kirche lässt mit Recht alle getauften Christen zum Abendmahl zu. Darüber hinaus ist nach meiner Meinung jeder Mensch, der mehr bewusst oder mehr unbewusst den Vorgang der Neugeburt erlebt, zum Abendmahl eingeladen, unabhängig davon, welcher Religion er angehört und ob er überhaupt einer Religion angehört. Denn auch andere Religionen wie Islam, Hinduismus und Buddhismus kennen und verehren Jesus auf ihre Weise. Ein Sonderfall ist das Judentum, denn Juden und Jüdinnen sind durch christliche Menschen zu sehr verfolgt und verletzt worden. In jüdischer Sicht war Jesus ein bedeutender Sohn des jüdischen Volkes. Wenn aber ein Jude sagt, dass Jesus der Messias war, wird er leicht als Verräter behandelt. Nach meiner Vorstellung ist die einzige Bedingung der Zulassung zum Abendmahl die Sehnsucht, dabei zu sein. Wie der Titel eines meiner Bücher sagt: "Jesus für alle".

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52. Wort des lebendigen Gottes?  -  13. Jänner 2010

In den Eucharistiefeiern der römisch-katholischen Kirche sagt der Lektor nach den Lesungen "Wort des lebendigen Gottes."

Aber Gott hat den Autoren der Bibel den Text nicht wörtlich eingegeben. Gott hat in ihre konkrete Situation hinein gesprochen und sie haben das, was sie davon aufnehmen konnten, "in eigene Worte gefasst; in die ihnen eigene Sprache und Vorstellungswelt übersetzt. [...] Dies bedeutet, dass die Bibel als Gotteswort im Menschenwort bezeichnet werden kann. In die Bibel ist sehr viel Menschliches eingeflossen; nicht nur Sprache und Ausdrücke, sondern auch menschliche Reaktionen wie Ängste, Zweifel, Aggressionen, Versuchungen zu Feuer, Schwert und Gewalt..." (Aus: "Die Bibel, Wort des lebendigen Gottes?" von Fritz Köster.)

"Die Bibel ist Wort Gottes, aber sie ist Wort Gottes in menschlicher Sprache, in menschlicher Situation. Sie ist und bleibt ein historisches Dokument aus einer fernen, weit zurück liegenden, uns fremd gewordenen Welt. Sie bedarf der kundigen ÜberSetzung in unsere Zeit."

"Es gibt also kein 'reines' Wort Gottes, unabhängig von der menschlichen Sprache, ohne Menschenwort. Selbst die Worte Jesu, des Sohnes Gottes, unterliegen als Worte des Menschgewordenen den Gesetzen und Grenzen menschlicher Sprache." (Aus: "Zum Jahr der Bibel" von Norbert Scholl.)

Eine Bischofssynode hat im Vatikan im Jahr 2008 unter dem Titel "Das Wort Gottes im Leben und in der Sendung der Kirche" festgehalten:

" • dass es das Charisma der Inspiration erlaubt, zu sagen, Gott sei der Autor der Bibel, ohne dabei den Menschen selbst als wirklichen Autor auszuschließen. Denn im Unterschied zum Diktat hebt die Inspiration die persönliche Freiheit und die Fähigkeiten des Schriftstellers nicht auf, sondern erleuchtet und inspiriert sie;"

" • da die Bibel Wort Gottes in menschlicher Sprache ist, erfolgt ihre Interpretation in Übereinstimmung mit literarischen, philosophischen und theologischen Kriterien."

Die Formulierung "Wort des lebendigen Gottes" betrifft daher nicht den Inhalt jedes einzelnen Satzes der Bibel, sondern vielmehr die Bibel als Ganzes in dem Sinn, dass sie eine Sammlung von Geschenken Gottes an uns ist. Dabei ist noch der Unterschied zwischen dem Ersten und dem Zweiten Bundesbuch zu beachten. Die Geschichten und Prophetien des Ersten Bundesbuches wurden von Christen manchmal bloß als Hinweise auf das Kommen Jesu Christi in diese Welt gesehen. Sie sind jedoch in ihrer vollen Eigenständigkeit anzuschauen, als Geschenke des einen Gottes, der der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs, der Gott des Mose und der Gott Jesu ist.

Die Formulierung "Wort Gottes in menschlicher Sprache" drückt aus, dass die Bibel in ihrer menschlichen Form und Ausdrucksweise von Gott inspiriert ist. Die Inspiration bezieht sich dabei auf jeden Satz der Bibel, nicht in dem Sinn, dass jeder Satz von Gott diktiert oder irrtumsfrei wäre, sondern in dem Sinn, dass jeder Satz in dem Hören auf Gott oder in der Auseinandersetzung mit Gott oder in dem Ringen mit Gott, in der Liebe zu Gott oder in der Wut auf Gott niedergeschrieben ist.

Unser eigenes Hören auf Gott oder unsere Auseinandersetzung mit Gott oder unser Ringen mit Gott, unsere Liebe zu Gott oder unsere Wut auf Gott werden nicht jeden Satz der Bibel anerkennen. Wir werden auch vom Geist der Bibel her neue Formulierungen finden. Aus solcher Betroffenheit sind meine Bibelbearbeitungen entstanden.

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51. Die Folgen der Gier  - 13. Jänner 2010

Als ich fünfundfünfzig Jahre alt war, dachte ich mir: Es müsste doch schön sein, in der Pension denselben Lebensstandard zu haben wie früher. Daher zahlte ich zweimal für mich hohe Geldbeträge bei sogenannten Risikogeldanlagen ein, wo mir sehr hohe Zinsen versprochen wurden. Ich dachte mir: In der Pension werde ich dann immer nur die Zinsen abschöpfen und so viel Geld haben wie früher, ohne dass das Stammkapital weniger wird. Ich habe beide Male das gesamte Geld verloren, denn es handelte sich um Schneeballsysteme, wie bei dem Milliardenbetrüger Bernard L. Madoff, nur in bescheidenerem Ausmaß. Die Dummheit und Gier der Anlageberater und der anderen Menschen, die darauf hereinfielen, darunter auch ich, hatten die Systeme lange Jahre am Leben erhalten, bis die Seifenblasen platzten.

Was mir damals nicht klar war: Die Gewinne, die ich einzustreifen hoffte, hätte ich durch das Blut und die Tränen, die unmenschliche Behandlung und die Qual der Armen erhalten. Das wird z.B. in dem Film "Let's make Money" von Erwin Wagenhofer eindringlich gezeigt und in dem Buch "Uns gehört die Welt! - Macht und Machenschaften der Multis" von Klaus Werner-Lobo auch für Jugendliche verständlich dargestellt.

Die Börsen der Welt, die das neoliberale globale Wirtschaftssystem am Laufen halten, sind in meinen Augen Spielcasinos. Klaus Werner-Lobo schreibt in der Zusammenfassung des Kapitels "Geld regiert die Welt": "Ein großer Teil der weltweiten Finanzströme hat gar keine realwirtschaftliche Grundlage mehr (also zum Beispiel Investitionen in die Produktion von Gütern und Dienstleistungen), sondern profitiert von der Spekulation auf Kursschwankungen bei Aktien, Rohstoffen oder Währungen."

Ein wirksames Mittel gegen kurzfristige Spekulationsgeschäfte mit Fremdwährungen wäre "die sogenannte Tobin-Steuer. Sie ist nach dem Nobelpreisträger James Tobin benannt und beinhaltet die Besteuerung aller Käufe und Verkäufe von Devisen in der Höhe von lediglich 0,01 bis 0,5 Prozent."

Die Tobin-Steuer wurde von James Tobin 1972 vorgeschlagen. Der Artikel über die Tobin-Steuer bei Wikipedia enthält folgende Neuigkeit: "Während der UN-Klimakonferenz in Kopenhagen im Dezember 2009 entschied die EU, sich für die Steuer auszusprechen und forderte den Internationalen Währungsfonds auf, die Einführung der Steuer in Angriff zu nehmen."

Diese Maßnahme allein, so heilsam sie sein mag, wird das krasse Unrechtsystem unserer Weltwirtschaft nicht ändern.

Wenn man also Geld übrig hat, was soll man damit machen?

1. Denen schenken, die zu wenig haben, und ohne jede Absicherung leben wie die "Vögel des Himmels" und die "Lilien auf dem Feld". (Mt 6, 25-34.) Das schaffen wohl nur die wenigsten. Aber man muss ja nicht alles hergeben. Klaus Werner-Lobo sagt dazu: "Wer viel hat, kann teilen: mit Obdachlosen, Flüchtlingen und anderen, die weniger haben als wir selbst. Teilen ist ein Akt des Ausgleichs und nicht des Mitleids."

2. Erspartes nur in Sparbüchern oder Sparkonten mit fixen Zinsen anlegen, nicht in Investment-Fonds.

3. Lebensversicherungen nur mit Versicherungsleistung als festem Geldbetrag abschließen, auch in diesem Fall nicht mit Fondsanteilen spekulieren.

4. Geld bei Institutionen anlegen, die Mikrokredite an die Armen vergeben. Bei Oikocredit bekommt man dafür 2 % Dividende.

Diese Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

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